Sie hat Donald, Dagobert und all den anderen Bewohnern von Entenhausen jahrzehntelang deutsche Klassikerzitate in den Schnabel gelegt. Dafür bekommt die eigenmächtige Übersetzerin Erika Fuchs nun in Schwarzenbach ihr eigenes Museum.

Stuttgart - Ein einzelnes Bild in einer Donald-Duck-Geschichte, kleiner als eine Streichholzschachtel: das ist die Fläche, die Entenhausen gebraucht hat, um in unseren Köpfen zu entstehen. Aber man kann so einem Stadtprojekt auch eine großzügigere Grundfläche zuweisen: 600 Quadratmeter etwa, verteilt auf sieben Räume.

 

So hält es ab 1. August die Dauerausstellung im Erika-Fuchs-Haus in Schwarzenbach an der Saale, das neue „Museum für Comic und Sprachkunst“, das damit klar macht: Entenhausen ist so sehr die Erfindung der jahrzehntelang die Schnäbel der Ducks mit deutschen Worten füllenden Übersetzerin Erika Fuchs wie jene des amerikanischen Comicgenies Carl Barks.

Die Erfindung von Walt Disney ist dieser Entenhausen-Kosmos übrigens am wenigsten. Disney hielt das Copyright an ein paar Figuren, verkaufte die Lizenzrechte für deren Comicauswertung und strich den Ruhm für all die Ideen und Figuren ein, mit denen vor allem Barks die Comicseiten füllte.

Ganz schön eigenmächtig

In der etablierten Hochkultur mit ihren ausgeklügelten Rezeptionsapparaten und ihren belesenen Nutzern müssen die besten Übersetzer erst noch schaffen, was im einstigen Schmuddelbezirk der Bildheftchen nun spektakulär gelungen ist: ein eigenes Museum zu bekommen. Dabei ist die 1906 in Rostock geborene, 2005 in München gestorbene Erika Fuchs mit all ihrem Witz und ihrer Bildung eigentlich eine ganz schreckliche Vertreterin ihrer Zunft.

Sie hat nämlich nicht so nah wie möglich an Geist, Ton und Intention des Originals übersetzt, sondern frech verdreht, verändert, neu erfunden. Als Briefträgerin hätte Fuchs ein Päckchen Kekse an Stelle eines amtlichen Einschreibens gebracht.

Es lebe der Erikativ

Fuchs hat nicht nur die ganzen schönen Klassikerzitate von Shakespeare, Schiller und Wilhelm Busch in die Dialoge von Donald Duck, den drei kleinen Neffen Tick, Trick und Track und Onkel Dagobert geschmuggelt, sie hat auch fantasiebeflügelnd mit vielen Inflektiven das Leben der Enten dramatisiert.

Inflektive, das sind auf den Wortstamm verkürzte Verben, mit denen Fuchs Geräusche (knarr, wimmer, polter) ebenso wie Gefühle und innere Vorgänge (grusel, grübel, bang) vermittelte. So virtuos hat sie das gehandhabt, dass man den Staatsexamensbegriff Inflektiv getrost vergessen kann: unter Comic-Kundigen heißt er längst Erikativ.

Duckburg ist ein wenig anders

Comics, das können auch innovative Sprachkunstwerke sein, lehrt das Schaffen von Erika Fuchs. Dabei war da zunächst durchaus ein Abwehrreflex am Werke. Der Ton der US-Comics war der Tochter aus gutem Hause zu hart, zu nüchtern, zu wenig verspielt.

Für deutsche Leser mit Englischkenntnissen heißt das immerhin: sie können in den Originalen von Barks noch einmal ein ganz anderes Entenhausen neu entdecken, ein hemdsärmeligeres, nüchterneres, brutaleres namens Duckburg. Donald als ewiger Versager reibt sich dort viel mehr am amerikanischen Erfolgsideal als in Entenhausen.

Was bei der Messe ankam

Was aber sagt so eine schöne Museumseröffnung über den Stand der Comicakzeptanz hierzulande? Wenig, denn die Frankfurter Buchmesse stellt dieses Jahr ihre Comic-Präsentation weiter um. Hier die prestigeträchtigen Graphic Novels, dort die Mangas – in dieser Aufteilung geht der klassische Genre-Comic genauso verloren wie die Komik für Groß und Klein. Auf eine Erika Fuchs von heute wäre die Buchmesse mithin gar nicht eingerichtet. Um es im Erikativ zu sagen: grummel, seufz, ächz.