Die Autorin und Zeichnerin hat die Idee zu „Irmina“ aus der eigenen Familiengeschichte gezogen, aus den Briefen und Tagebüchern ihrer Großmutter, sich aber Freiheiten genommen: Dies ist keine Biografie. Trotzdem geht Yelin nicht nur mit der Opportunistin, Verdrängerin und Profit-Erhofferin Irmina sorgsam um. Sie weigert sich auch, Nazipopanze über ihre Bühne poltern zu lassen. Meinrichs schneidigem Schwärmen von der neuen Zeit lässt sie das mitreißend Selbstbewusste.

 

Mit dem Begriff Fairness hat sie in diesem Zusammenhang allerdings Schwierigkeiten: „Dieses Wort finde ich sehr unpassend. Ich habe mich, und das war sehr belastend, eingelesen in den Ton von damals, in die Argumentationen und Denkweisen. Auch wenn ich absurd finde, was Meinrich sagt, lasse ich seinen Dialogen ihren Raum, um die Handlung authentisch zu erzählen. Darum geht es ja in der ganzen Geschichte: um das Erkunden, wie und warum jemand wie Irmina mitgemacht und nicht Nein gesagt hat.“

Es gibt keinen Treueschwur, aber auch keine Umkehrmomente in dieser Schilderung eines Sichverstrickens. Die Bilder aber werden beklemmender, aus dem Grau der deutschen Umnachtung sticht das Blutrot der Naziflagge bedrohlich hervor. Irmina zieht ihren Sohn vorbei an einem Mob, der jüdische Geschäfte plündert, sie will da in nichts hineingeraten. Aber sie erklärt ihrem Kind zugleich: „Die Juden sind unser Unglück.“ Yelin macht solche Transferleistungen des Schuldbewusstseins erhellend deutlich.

Von Stuttgart nach Barbados

Im dritten Teil des grafischen Romans springen wir aus der Düsternis der Kriegszeit in Irminas Lebensherbst in den Achtzigerjahren. Die Schulsekretärin reist aus Stuttgart, wo sie ein bescheidenes Leben führt, endlich nach Barbados, auf Howards Einladung hin. Sie prallt schmerzlich auf die falsche Erwartung von Howards Familie, eine bislang nur aus Erzählungen bekannte, sehr mutige und außergewöhnliche Frau kennen zu lernen.

Yelin legt ihr keine großen Rechtfertigungen in den Mund, verlässt sich noch stärker als zuvor auf die Bilder. „Ich nähere mich meinen Figuren nicht über den Text“, sagt sie, „ich komme vom Zeichnerischen. Ich entwickle sie aus den Skizzen heraus. Ich muss zunächst entdecken, wie sie aussehen, sich kleiden und sich geben.“

Aber wie sie dann dem Werben eines smarten jungen Architekten und SS-Angehörigen namens Gregor Meinrich nachgibt, wie sie sich einrichtet im Hausfrauendasein und in der Erwartung, die Belohnungen für Systemtreue würden auch ihrer Familie zugutekommen, das befremdet. Yelin bekommt das hin, ohne ihre Figur zu karikieren, zu entblößen, zu denunzieren.

Wenn der Mob zu plündern beginnt

Die Autorin und Zeichnerin hat die Idee zu „Irmina“ aus der eigenen Familiengeschichte gezogen, aus den Briefen und Tagebüchern ihrer Großmutter, sich aber Freiheiten genommen: Dies ist keine Biografie. Trotzdem geht Yelin nicht nur mit der Opportunistin, Verdrängerin und Profit-Erhofferin Irmina sorgsam um. Sie weigert sich auch, Nazipopanze über ihre Bühne poltern zu lassen. Meinrichs schneidigem Schwärmen von der neuen Zeit lässt sie das mitreißend Selbstbewusste.

Mit dem Begriff Fairness hat sie in diesem Zusammenhang allerdings Schwierigkeiten: „Dieses Wort finde ich sehr unpassend. Ich habe mich, und das war sehr belastend, eingelesen in den Ton von damals, in die Argumentationen und Denkweisen. Auch wenn ich absurd finde, was Meinrich sagt, lasse ich seinen Dialogen ihren Raum, um die Handlung authentisch zu erzählen. Darum geht es ja in der ganzen Geschichte: um das Erkunden, wie und warum jemand wie Irmina mitgemacht und nicht Nein gesagt hat.“

Es gibt keinen Treueschwur, aber auch keine Umkehrmomente in dieser Schilderung eines Sichverstrickens. Die Bilder aber werden beklemmender, aus dem Grau der deutschen Umnachtung sticht das Blutrot der Naziflagge bedrohlich hervor. Irmina zieht ihren Sohn vorbei an einem Mob, der jüdische Geschäfte plündert, sie will da in nichts hineingeraten. Aber sie erklärt ihrem Kind zugleich: „Die Juden sind unser Unglück.“ Yelin macht solche Transferleistungen des Schuldbewusstseins erhellend deutlich.

Von Stuttgart nach Barbados

Im dritten Teil des grafischen Romans springen wir aus der Düsternis der Kriegszeit in Irminas Lebensherbst in den Achtzigerjahren. Die Schulsekretärin reist aus Stuttgart, wo sie ein bescheidenes Leben führt, endlich nach Barbados, auf Howards Einladung hin. Sie prallt schmerzlich auf die falsche Erwartung von Howards Familie, eine bislang nur aus Erzählungen bekannte, sehr mutige und außergewöhnliche Frau kennen zu lernen.

Yelin legt ihr keine großen Rechtfertigungen in den Mund, verlässt sich noch stärker als zuvor auf die Bilder. „Ich nähere mich meinen Figuren nicht über den Text“, sagt sie, „ich komme vom Zeichnerischen. Ich entwickle sie aus den Skizzen heraus. Ich muss zunächst entdecken, wie sie aussehen, sich kleiden und sich geben.“

Dieser Ansatz hilft ihr wohl überflüssige Worte zu vermeiden, obwohl sie ein komplexes Bündel Psychologie und Gesellschaftskunde schnürt. Dessen Inhalt fächert der Historiker Alexander Korb in einem klugen Nachwort auf. Korb hat Yelin während der Arbeit an „Irmina“ beraten und kommt am Dienstag zum Gespräch in die Stadtbibliothek: einen spannenderen Literaturabend wird man so bald nicht finden.

Termin:
Stadtbibliothek, Mailänder Platz 1, Dienstag, 10. Februar, 20 Uhr.