In einem unscheinbaren Raum auf dem Vaihinger Campus verbirgt sich das Computermuseum. Der Leiter Klemens Krause verrät, wie sich die Geräte im Vergleich zu seinem Mobiltelefon schlagen.

Vaihingen - Neben einem hellgrünen Computer, groß wie eine Tiefkühltruhe und mehr als 380 Kilogramm schwer, steht Klemens Krause und drückt einen Knopf. Die Maschine fährt hoch und klingt, als würde sie gleich abheben. „Das ist einer der letzten noch funktionsfähigen Computer der ersten Generation“, sagt Krause stolz, „hat mal 250 000 Mark gekostet.“ LGP 30 heißt das Ungetüm, 1958 gebaut und das Prunkstück seiner Sammlung.

 

Krause betreibt an der Universität Stuttgart ein Computermuseum. In einem kargen Raum im Gebäude des Fachbereichs Informatik stapeln sich Relikte aus der Hardware-Historie. Rechenmaschinen, Lochkartenleser und beige PC-Ungetüme, die mit ihren Nachfolgern nur noch den Apfel gemeinsam haben, der auf ihnen prangt: Krause hat sie alle. Tagsüber kümmert er sich als Systemadministrator um die Rechner von Studenten und Professoren, seinen Exponaten widmet er sich nach Feierabend. „Ich mache das aus Spaß und weil mich die Geräte faszinieren“, sagt er.

Krauses Geräte haben richtig was auf dem Kasten

Jeden Dienstagabend empfängt er Besucher im Museum, dann geht es im Galopp durch die Geschichte des Computers. „Alle Sachen machen was oder sagen was“, ruft Krause in hellgrüner Hose und fliederfarbenem Polohemd, und als er von einem Gerät zum nächsten springt, wirbeln seine langen Haare umher. Er drückt mal hier einen Knopf, kurbelt mal da an einem Hebel und zum Dank brummen, rattern und surren seine Computer im Takt. Was Krause in seinem Museum ausstellt, funktioniert. Trotz des teilweise biblischen Alters der Geräte.

„Es wäre langweilig, einfach nur alte Kästen hinzustellen“, findet Krauses Kollege Christian Corti, der sich auch für das Museum engagiert, „man muss sie riechen und hören.“ An zwei Abenden in der Woche schnappen sich die beiden Lötkolben und Schraubenzieher, reparieren, basteln, probieren aus, oft bis kurz vor Mitternacht. Auch Studenten schauen vorbei, gerade ist Tobias da, der bald im dritten Semester Software-Technik studiert. In der kleinen Werkstatt des Museums will er eine alte Rechenmaschine wieder zum Laufen bringen, bei der eine Taste klemmt. „Für mich ist das ein guter Ausgleich zum Studium. Obwohl ich oft da bin, entdecke ich jedes Mal wieder etwas Neues“, sagt er und wendet sich wieder der Maschine zu.

Der Lohn für so viel Tüftelei: Krauses Geräte haben richtig was auf dem Kasten. Einem alten Rechner hat er beigebracht, eine Bach-Kantate abzuspielen, wenn er eine kryptische Zeichenfolge eingibt. „Das sind Noten, übersetzt in Befehle, die der PC verarbeiten kann“, erklärt er. Auf einem anderen Bildschirm stellt Krause mit grün flimmernden Zeichen auf schwarzem Hintergrund die Mondlandung nach. So könnte es stundenlang weitergehen.

Die grüne Tiefkühltruhe mit Tasten berechnete Brücken

Was im Museum steht, ist freilich nur die Spitze des Elektronikberges. „Im Keller lagern Geräte, mit denen ich locker 500 Quadratmeter bestücken könnte“, sagt Krause. Mehrere Zehntausend Euro Sammlerwert haben seine Apparate schon jetzt, um Nachschub muss er sich keine Sorgen machen. Das Museum sei mittlerweile bekannt, sagt Krause, Privatpersonen, aber auch Firmen und Hochschulen böten ihm immer wieder ausgemusterte Rechner an. Krause: „Ich bin wie eine Spinne im Netz und warte, dass die Sachen reinfliegen.“

Sein Lieblingsstück, den großen grünen LGP 30, haben sie für den Transport nach Stuttgart zu acht auf eine Palette gehievt, Einst nutzte ein Stahlbauunternehmen den Riesen-Rechner, um die Statik von Eisenbahnbrücken zu berechnen. Mit einem beherzten Griff öffnet Krause das Gehäuse. „Über 100 Röhren, das Ding leuchtet wie ein Weihnachtsbaum!“ Er weiß alles über seine Geräte, Gewicht oder Speicherkapazität hat er auswendig parat. Wer bei Bits, Bytes, Codes und Compilern nur Bahnhof versteht, wartet einfach auf die nächste Pointe, denn zu jedem Exponat gibt es mindestens eine kuriose Anekdote.

Das Museum feiert bald das 20-jährige Bestehen

Eine Rechenmaschine von 1971 weckte vor einigen Jahren die Aufmerksamkeit eines Chefs, der mit einem baugleichen Modell auch mit über 80 Jahren noch Büroarbeit in seinem Unternehmen erledigte. „Er war wie Dagobert Duck, der seine Taler einzeln per Taschenrechner addiert“, erzählt Krause. Als der Apparat vor zwei Jahren den Geist aufgab, bat der Senior um Hilfe. „Er sagte mir, er könne nicht ohne seine Rechenmaschine“, erinnert sich Krause, der Hand anlegte und die Maschine reparierte.

Seit 1997 finden Rechner, die in Rente gehen, bei ihm eine neue Heimat. Bald ist Jubiläum und der Museumschef ist zuversichtlich, dass seine Exponate noch einmal 20 Jahre halten. „Es ist bei Computern genau wie bei alten Autos“, sagt er, „man muss sie zum Laufen bringen, sonst bocken sie irgendwann.“ Seinem Smartphone, das eine größere Rechenleistung besitzt, als alle Ausstellungsstücke im Computermuseum zusammen, kann er nur wenig abgewinnen: „Das ist nur ein Werkzeug, die Technik darin interessiert mich überhaupt nicht.“ Wenn man alte Rechner öffne, sagt er, habe man noch die Chance, zu begreifen, wie sie funktionieren. Die Prinzipien von damals gälten zwar auch für neue Computer. „Wenn Sie die aufschrauben, können Sie aber fast gar nichts daran machen.“