Am 6. Mai wird im Stadtmedienzentrum Stuttgarts erste Computerspielschule für Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Stuttgarter Osten eröffnet. Im Interview erklärt der Mediengestalter Dejan Simonovic, weshalb.

Stuttgart - Sie vergnügen sich bei Ballerspielen oder geben sich den Adrenalinkick bei Autorennen, bauen virtuell neue Welten oder spielen klassische Welten nach – allein oder miteinander: Computerspiele haben bei Jugendlichen Konjunktur. Das Landes- und das Stadtmedienzentrum greifen diesen Trend auf – mit einer Computerspielschule für Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Stuttgarter Osten.
Herr Simonovicć, weshalb brauchen Jugendliche eine Computerspielschule?
Weil Computerspiele zu einem ganz wichtigen Medium bei Jugendlichen geworden sind. Uns ist wichtig, den Jugendlichen einen reflektierten Umgang mit diesen Spielen beizubringen. In der Richtung gibt es bisher wenig Angebote. Jetzt beginnt man, diese Spiele als Kulturgut zu verstehen. Sie sind in der Gesellschaft angekommen.
Was ist gerade der Renner unter den Computerspielen?
Das hängt von der Altersgruppe ab. Bei den Jungs zwischen zehn und 14 ist Minecraft ein Begriff – alle spielen das. Das ist ein virtueller Legobaukasten, mit dem man eine eigene Welt erkunden, aber auch bauen kann. Das Schöne an dem Spiel ist, dass die Kreativität im Vordergrund steht. Mädchen spielen gern Sims. Das ist ein virtuelles Puppenhaus. Man kann die Wohnung ausgestalten und Beziehungen simulieren.
Muss man Kindern und Jugendlichen das Computerspielen überhaupt beibringen?
(lacht) Das Spielen selbst nicht. Die Bedienkompetenz ist nicht das Problem. Die Kinder können mit der Maus und mit den Eingabegeräten umgehen. Zielgruppe sind bei uns aber auch Erwachsene, die zum Teil auch noch keine Erfahrungen mit dem Medium haben. Hier helfen wir natürlich auch gern bei den Grundlagen.
Was können und sollen die Kids lernen?
Uns geht es um den reflektierten Umgang mit dem Medium. Bei Computerspielen gerät man ja oft in so einen Flow-Zustand, in einen Zustand der ständigen Belohnung, und man möchte immer weiterspielen. Die Jugendlichen sollen verstehen, warum sie immer weiterspielen wollen und wie diese Belohnungsmechanismen funktionieren. Oft wird das mit Suchtverhalten in Verbindung gebracht, was aber nur selten zutrifft.
Wie helfen Sie Jugendlichen oder Erwachsenen, die diese Sucht entwickelt haben?
Wir selber sind keine Suchtberatungsstelle, aber wir können die Kontakte vermitteln. Die meisten Spieler haben aber einen normalen Umgang mit diesen Spielen und können zwischen Spielwelt und Realität unterscheiden – auch wenn viele Erwachsene befürchten, dass Kinder in die virtuelle Welt abdriften. Uns ist deshalb wichtig, auch den Erwachsenen einen Zugang zu bieten und ihnen zu zeigen, wie solche Spiele funktionieren. Und eine Kommunikation herzustellen, wenn Jugendliche mit ihren Eltern herkommen. Für Eltern, die selbst wenig Erfahrung mit Computerspielen haben, wirkt das Einlassen auf virtuelle Welten manchmal befremdlich. Viele interessieren sich nicht wirklich für das, was ihre Kinder spielen. Und so bekommen sie auch nicht mit, wenn die Kids die Altersangaben auf den Spielen ignorieren. Daher beraten wir die Eltern auch gern über altersgerechte Spiele und geben Tipps, wie man Spielzeiten regeln kann.
Welche Probleme gibt es außerdem?
Bei den Jugendlichen sehr beliebt sind Free-to-play-Games. Die kann man kostenlos aufs Smartphone runterladen. Aber die Extras, die so ein Spiel spannend machen, die kosten Geld. Alternativ können die Jugendlichen Freunde für das Spiel werben. Wir wollen auch über solche Geschäftsmodelle aufklären.
Wie läuft das bei Ihnen mit der pädagogischen Betreuung?
Wir haben zwei Pfeiler. Das eine ist unser Regelbetrieb. Wir bieten jeden Freitagnachmittag von 14 bis 18 Uhr eine pädagogische Begleitung. Gemeinsam mit den Jugendlichen suchen wir dann passende und altersgerechte Spiele raus und zeigen den Umgang damit.
Muss man sich dafür anmelden?
Nein. Man kann einfach kommen und sich von den Mitarbeitern einen Platz zuweisen lassen und gemeinsam ein Spiel aussuchen und verschiedene Sachen ausprobieren. Darüber hinaus wollen wir themenbezogene Veranstaltungen und Workshops anbieten – zum Beispiel zu Minecraft. Das kann man auch kooperativ spielen. Es wäre vorstellbar, eine ganze Klasse einzuladen und mit ihr gemeinsam ein Projekt zu entwickeln. Zum Beispiel eine Schaltung mit Minecraft nachbauen und somit auch an Unterrichtsthemen andocken. Eine andere Möglichkeit wäre, in einem Workshop online ein eigenes Spiel zu entwickeln. Mittelfristig haben wir auch eine Spiele-Testergruppe geplant.
Wie soll das laufen?
Denkbar ist, dass Jugendliche, die besonders gern und oft herkommen, nicht nur zum Spaß spielen, sondern die Spiele auch bewerten und hinterfragen. Es gibt bereits
Spieletester, inspiriert vom Spieleratgeber Nordrhein-Westfalen. Die Computerspielschule Leipzig war das Modell für das Gesamtprojekt. Jugendliche Spieletester haben eine ganz andere Perspektive als professionelle Spieletester. Die Ergebnisse werden wir auf unserer Website veröffentlichen.