Wie Thea Dombrowski geht es seit Jahrzehnten vielen Mädchen in der schwäbischen Provinz: Sie wollen hinaus in die Welt, nach Berlin, ins Ausland. Und wenn sie dann als erwachsene Alleinerziehende zurückkommen, wird es schwierig daheim – da braucht noch nicht einmal ein Mord zu geschehen . . .

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Eine Journalistin, alleinerziehend, schon allerhand durchgemacht habend, kommt aus Berlin zurück in ihre süddeutsche Heimat. Gleich nach ihrer Ankunft wird eine ehemals enge Freundin bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt, die Frau liegt im Koma, vom Schuldigen fehlt jede Spur.

 

Kurz darauf brennt die Holzkonstruktion eines Schulhauses ab, das russlanddeutsche Aussiedler für ihre Sekte bauen wollen. In den Flammen glaubt Thea Dombrowski – so der Name der Lokalreporterin – einen menschlichen Körper zu sehen. Und sie soll sich damit nicht geirrt haben. Mal mit, mal gegen die Polizei, mal mit, mal gegen die Einwohner des Städtchens Wartenburg versucht Dombrowski, hinter die beiden Sachen zu kommen. Oder sollte es am Ende einen Zusammenhang geben?

Das süddeutsche Kleinstadtleben prototypisch eingefangen

So weit, so gut. Regionalkrimis wie diese gibt es viele auf dem Markt, ebenso die Geschichte von Reporter als Detektiv. Was aber an Conny Schwarz’ „Das Mädchen im Feuer“ – hinter dem Pseudonym verbirgt sich das Autorenduo Kristin Uhlig und Martin Maurer – heraussticht, ist die Atmosphäre, in der die Handlung eingebettet wird. Nicht „volkstümlich-gemütlich“, sagt Kristin Uhlig, soll es da zugehen, mit einem Kommissar, der „beschauliche Sträßle und Gässle“ abwandert. Sie wollte vielmehr das süddeutsche Kleinstadtleben – „die Ähnlichkeiten mit Künzelsau liegen für jeden Ortskundigen auf der Hand“ – prototypisch einfangen. Und das ist wirklich gelungen.

Es ist die Geschichte einer Teenagerin aus der Provinz, die unbedingt ausbrechen will aus der Enge ihrer Heimat, die es nicht nur nach Berlin zieht, sondern aus humanitären Gründen auch in Länder wie den Jemen. Auf einer dieser Reisen verliert sie ein Auge, ihre große Sammlung unterschiedlicher, ständig wechselnder Augenklappen wird zum Running Gag in der Erzählung. Doch das fehlende Auge ist nicht der einzige Verlust, den Thea Dombrowski zu beklagen hat. Mindestens genauso hart kommt sie der Freiheitsverlust an, der die Rückkehr in ihre alte Heimat mit sich bringt.

Im ständigen Kampf mit der Mutter

Thea ist keine Heldin, sie steht mit ihren Beinen längst nicht so fest im Leben, wie sie es sich selber vielleicht vormacht. Sie hat Selbstzweifel, trinkt (gleich zu Beginn soviel, dass sie im Rausch den Gemüsegarten am Elternhaus verwüstet) und kämpft weniger mit ihrer Rolle als Mutter als vielmehr mit ihrer Rolle als Tochter. Denn zwischen ihr und der alten Dame ist vieles nicht ausgesprochen, dafür ist das Machtverhältnis aber eindeutig. Mit einem „Ha!“ schafft es die Frau regelmäßig, ihre Tochter aus dem Konzept zu bringen.

„Die Vergangenheit lässt einen ja nie ganz los“

Und auch mit den anderen Wartenburgern – dezent gezeichnet mit mundartlichen Einsprengseln – hat Thea so ihre Not. Mit den Dagebliebenen, den längst Gesettelten, mit denen, die schon immer wussten, wo sie hingehören – „die Vergangenheit lässt einen ja nie ganz los, und man hört nie wirklich auf, sich an dem abzuarbeiten, was einem durch die eigene Herkunft mitgegeben ist“, sagt Kristin Uhlig. Und dann gehört zu dieser Vergangenheit auch noch der unfassbar reiche Fabrikant, der mehr oder weniger offen die Geschicke der Stadt bestimmt und der eine überaus bemerkenswerte Frau geheiratet hat.

Alles in allem ein Personaltableau, von dem man gerne mehr erfahren möchte. Und da „Das Mädchen im Feuer“ am Anfang einer Krimireihe steht, sind wir schon mal gespannt, was im kommenden Sommer als Fortsetzung folgen soll.

Conny Schwarz: „Das Mädchen im Feuer“. Roman. Dumont-Verlag, Köln 2014. 384 Seiten, 9,99 Euro. Auch als E-Book, 7,99 Euro.