Die neue Leiterin des Künstlerhauses kann mit ihrer ersten Ausstellung nicht überzeugen. Vieles bleibt Stückwerk.

Stuttgart - Der Körper als Gefäß der Seele – das Bild ist nicht ganz neu, wohl aber die Variante, die das Künstlerhaus daraus ableitet. „Container and Contained“ nennt die seit Januar amtierende Leiterin Fatima Hellberg ihre erste kuratorische Arbeit für die Reuchlinstraße, wobei sich die schmal besetzte Gruppenschau aber nicht ganz einig wird, was hier Behältnis und was Inhalt sein soll. Sind wir am Ende alle Container, vollgestopft mit dem Abfall und dem Altglas der Welt? Der Begleittext des Künstlerhauses begnügt sich mit einem knappen Hinweis auf Wilfred Bion. Unter „Containing“ verstand der britische Arzt und Psychoanalytiker das Umwandeln von unerträglichen psychischen Eindrücken in erträgliche.

 

Seelenschrott kreativ recyceln – das hat möglicherweise auch Julia Heywards Schwarzweißvideo „Shake Daddy Shake“ im Sinn. Die gleichnamige Performance aus dem Jahr 1976 gehört zu den vergessenen Inkunabeln des Genres. In der sechsminütigen Inszenierung setzt sich die Künstlerin mit ihrem an einer Nervenlähmung leidenden Vater, einem Prediger, auseinander. Während Heyward wie ein Parkinsonkranker unablässig mit der Hand schüttelt, brüllt sie bizarre Litaneien aus sich heraus. Ein verzweifeltes Psychodrama, in dem jemand versucht, sich die Welt schön zu schreien – was nicht ganz funktioniert, am Ende geht irgendetwas zu Bruch.

Konzeptuelle Undurchdringlichkeit

Einen Defekt regelrecht auf den Leib geschminkt hat sich dagegen die morbide Lady aus Brice Dellspergers Film „Body Double 23“. Bezugspunkte des fiktiven Castings sind verschiedene Hollywoodfilme, insbesondere Brian de Palmas Thriller „Die schwarze Dahlie“, in dem es um den Mord an einer Schauspielerin geht. Doch allzu viel Information über die Hintergründe liefert das Künstlerhaus nicht. Überhaupt merkt man dem Projekt seine kurze Vorbereitungszeit an: den Videos fehlt eine Übersetzung der englischen Texte, der ganzen Ausstellung eine klar formulierte These.

Nicht einmal einige Einzelpositionen lohnt es sich hervorzuheben. Angesichts der konzeptuellen Undurchdringlichkeit kommt einem die maximale Transparenz der drei Glasscheiben mit eingesägtem Guckloch, die Tony Conrad von oben in den Raum hängen lässt, unfreiwillig ironisch vor. Stephen Sutcliffes Film „A Policeman is walking“ langweilt mit seiner Erzählung ebenso wie mit den parallelen Bewegtbildern abstrakt blinkender Logos. Und wo Josephine Prydes experimentelle Fotografien den menschlichen Körpercontainer mit radiologischem Blick durchleuchten, kehrt Antonio Mak zur klassischen Bildhauerei zurück. Seine Bronzestatuette „Identity and Difference“ veranschaulicht die innere Zerrissenheit am Beispiel einer auf Bauchhöhe auseinander gesägten Figur. Während die Beine voranschreiten, sucht der dahinter schwebende Oberkörper, den wegeilenden Teil festzuhalten.

Gedankenraum für Ideen

All das bietet weder Erkenntnisgewinn noch Unterhaltung. Hellberg konstruiert zwischen den gezeigten Werken nicht mehr als eine Reflexionsbaustelle, schnell zusammengezimmert mit den üblichen Diskurswerkzeugen. Nach einer „Methode, die ihre eigene Zerbrechlichkeit oder Zerstörung in sich trägt“ will das Ganze demnach fragen. Und nach einem „Gedankenraum für Ideen, die noch entstehen könnten.“ Einen solchen, nicht nur gedanklichen Raum gibt es mittlerweile tatsächlich, allerdings ist es kein Container. Zur Vernissage wurde dem Publikum die neue Bühne im zweiten Stock vorgestellt, die vor allem für Liveperformances genutzt werden soll. Bleibt zu hoffen, dass im Künstlerhaus demnächst auch wieder bessere Ideen heranreifen als die, die wir jetzt sehen.