Warum eine teure Heizungsanlage kaufen, wenn es auch anders geht. Vor allem Wohnungsunternehmen setzen immer öfter auf Wärme-Contracting.

Lokaltermin in einem Kellerraum im Leo-Center in Leonberg. Holger Stegmüller zeigt auf zwei große, rote Kessel, deren Pumpen leise vor sich hin brummen. 'Von hier aus geht die Wärme in zwei Hochhäuser, eine Seniorenwohnanlage, ein Shopping-Center und ein Hotel', erklärt der Betriebsleiter der Urbana Energiedienste das Geschäftsmodell. Das Unternehmen ist ein sogenannter Energie-Contracting-Dienstleister. Beim Contracting (englisch für vertragsschließend) geht es darum, eigene Aufgaben - wie zum Beispiel das Heizen - auf ein Dienstleistungsunternehmen zu übertragen. In der Regel wird dabei vertraglich vereinbart, Betriebsstoffe wie Wärme, Kälte, Strom, Dampf oder Druckluft zu liefern.

 

Seit den 1990er Jahren ist das sogenannte Wärme-Contracting in Deutschland bekannt. Es wird vor allem von institutionellen Hauseigentümern und kommunalen Wohnungsunternehmen in Anspruch genommen. Oft unterhalten die Kommunen sogar eigene Contracting-Unternehmen. Speziell beim Wärme-Contracting werden die Investitionen für die erstmalige Errichtung oder Modernisierung von zentralen Heizungsanlagen vom Eigentümer eines Gebäudes an einen externen Dienstleister, den sogenannten Contractor, ausgelagert. Im Gegenzug schließt der Hauseigentümer mit dem Unternehmen einen Wärmelieferungsvertrag ab. Darin erhält der Contractor zum Beispiel für einen festgelegten Zeitraum das exklusive Recht, die Mieter einer Liegenschaft mit Heizwärme zu versorgen. Dabei werden die Kosten für die Heizung vom Contracter in der Regel direkt mit dem Mieter abgerechnet.

Viele Hundert Wohnungen an einem Kessel

'Wärme-Contracting ist ein bisschen so wie Fernwärme', sagt Holger Stegmüller. Das Wasser für die Heizung der rund 600 Wohneinheiten in Leonberg wird im Kessel unter dem Leo-Center auf 80 Grad aufgeheizt und dann durch das 1,5 Kilometer lange Leitungsnetz in die einzelnen Gebäude gepumpt. Damit auf dem weiten Weg möglichst wenig Wärme verloren geht, sind die Rohre gleich dreifach isoliert. Doch was passiert, wenn die Heizung ausfällt. Schließlich hängen an einem Kessel viele Hundert Wohnungen? Der Betriebsleiter beruhigt: 'Fällt ein Kessel aus, schaltet sich automatisch der Ersatzkessel an. Der Mieter nimmt das gar nicht wahr.' Vor dem Hintergrund der Energiewende ist Contracting heute vor allem dann interessant, wenn es um hoch effiziente, energiesparende Kraft-Wärme-Koppelung geht, sagt Thomas Ahlborn von Urbana.

Darunter versteht man die gleichzeitige Gewinnung von elektrischem Strom und - quasi ein Abfallprodukt - Wärme für Heizzwecke und Warmwasser. Der gewonnene Strom werde in der Regel in das öffentliche Stromnetz eingespeist oder aber den Mietern oder Eigentümern direkt vor Ort als günstiger Mieterstrom angeboten. Über die so erzielten Energieeinsparungen und solche neuen Angebote refinanziert der Contractor seine Investitionen in die neue Infrastruktur. Allerdings rechnen sich derartige Anlagen für den Contractor in der Regel erst ab einer gewissen Größe wie zum Beispiel bei Quartiersentwicklungen mit mehr als 50 Wohneinheiten. Zu den Kunden der Wärme-Contracter zählen in erster Linie kommunale, genossenschaftliche und institutionelle Wohnungsunternehmen. Aber auch größere Wohnungseigentümergemeinschaften schließen Contracting-Verträge ab, sagt Thomas Ahlborn.

Wie sich der Contracting-Markt künftig entwickeln wird, ist schwer abzuschätzen. 'Das ist von vielen Faktoren, vor allem auch von den künftigen gesetzlichen Anforderungen an den Energiesektor abhängig', sagt er. Gerade die gesetzlichen Rahmenbedingungen auf dem Energiesektor seien in den letzten Jahren nicht sehr stetig gewesen. Das habe die Sache für eine Branche, die in Zeiträumen von 10 bis 20 Jahren denke, nicht einfacher gemacht. Die Auswirkungen merkt die Branche aber auch an einer anderen Stelle. Durch die vielerorts durchgeführten energetischen Maßnahmen im Bestand wie zum Beispiel die Wärmedämmung wird weniger Energie verbraucht. Was den Mieter freut, bringt aber die auf viele Jahre im Voraus kalkulierte Dimensionierung alter Kraftwerke durcheinander. Kein Wunder, dass die Branche auf die sich verändernden Bedarfe reagieren muss

. 'Wir haben als Energiedienstleister schon früh erkannt, dass die Thematik Energieversorgung von Gebäuden vernetzt und ganzheitlich angegangen werden muss', sagt Ahlborn deshalb. 'Darüber hinaus werden wir uns aber auch anschauen müssen, welche Angebote wir als Energiedienstleister sonst noch machen können. Beispiele sind hier unser Mieterstrom und Smart-Meter-Dienstleistungen'. Der digitale Stromzähler sei da erst der Anfang. 'Die Digitalisierung unserer Arbeitswelt wird auch die Energiewirtschaft weiter verändern. Heute ist das Smart Home für Mehrfamilienhäuser noch ein Phantombegriff. Aber zukünftig werden nicht nur Verbrauchsdaten erfasst, sondern auch über Machine-to-Machine-Kommunikation zum Beispiel die dezentralen Kraftwerke mit dem Energiebedarf der Verbraucher synchronisiert', ist sich Thomas Ahlborn sicher.