Leistungssport und Schule geht nicht? Geht doch! Die berufliche Schule im Stuttgarter Osten richtet erstmals eine reine Klasse für Leistungssportler aller Disziplinen ein – und jeder bekommt ein Tablet.

Stuttgart - Leistungssport und Schule passen nicht zusammen? Nein, geht doch! Erstmals bietet die Cottaschule im Stuttgarter Osten angehenden Spitzenathleten die Möglichkeit, auf dem Wirtschaftsgymnasium in einem reinen Sportzug mit nur 24 Schülern in drei Jahren das Abi zu machen. Wem die Fachhochschulreife genügt, der kann auch das dreijährige Berufskolleg (BK) Sport- und Vereinsmanagement belegen. In beiden Angeboten bekommt jeder Schüler die Möglichkeit, den durch die Wettkämpfe versäumten Unterricht nachzuholen. Beide Angebote richten sich an Kadersportler.

 

Das Besondere an dem Sportzug zum Abi, der im nächsten Schuljahr beginnt, sei der komprimierte Stundenplan, erläuterte die Abteilungsleiterin Marina Kilger bei einem sehr gut besuchten Infoabend. „Wir haben die Präsenzzeit an der Schule gekürzt und den Stoff über E-Learning ausgegliedert“, berichtete sie. Um 13.10 Uhr sei Schluss mit dem Schulunterricht. Jeder Schüler werde künftig ein Tablet erhalten, um eigenständig lernen zu können. Der Unterricht an der Schule werde dafür von 30 auf 23 Wochenstunden verringert, beziehungsweise von 32 auf 25, sofern noch Spanisch als Fremdsprache dazukomme.

Nach den Wettkämpfen wird der Unterricht nachgeholt

„Aber die Selbstlernphasen erfordern mehr Selbstdisziplin“, warnte Marina Kilger. Dafür erhalten die Schüler sogenannte Trainingskorridore für ihren Leistungssport. Und weil die Kadersportler wegen der Wettkämpfe trotzdem viel Unterricht versäumen, bekommen sie in jedem Fach Nachführunterricht – „wenn es sein muss, eins zu eins“, sagte Kilger.

Für den TVB-Erstliga-Handballer Michael Seiz kommt der neue Sportzug zu spät. Der 22-jährige Ex-Cotta-Schüler hat sein Abi längst in der Tasche. Das habe dank dem Nachführunterricht geklappt. Denn Eliteschule des Sports ist die Cottaschule schon seit 2002. „Aber Tablets gab’s früher nicht“, sagt Seiz. Dabei sei das „eine gute Idee“.

Das Hauptproblem für Leistungssportler ist die Zeit

Das Hauptproblem für junge Sportler heute sei die Zeit, sagt Herbert Wursthorn vom Olympiastützpunkt. „Sie wollen nichts geschenkt, aber sie brauchen Zeit.“ So geht es auch der deutschen Hochsprungmeisterin Marie-Laurence Jungfleisch. Die 25-Jährige, die zuvor als Erzieherin gearbeitet hat, überspringt 1,97 Meter, peilt bei der Olympiade in Rio die Zwei-Meter-Marke an und will vorher noch schnell ihre Fachhochschulreife am BK Sport- und Vereinsmanagement machen. Nebenher ist sie noch Bundeswehrsoldatin und trainiert rund zehn Stunden pro Woche. „Die Lehrer? Die sind hilfsbereit – jetzt muss ich schleimen“, sagt sie und lacht.

Auch für den hoffnungsvollen Mittelfeldspieler Arianit Ferati, der für den VfB in der Bundesliga kickt, ist das Berufskolleg ein wichtiger Pfeiler. „Ich bin voll fokussiert auf den Sport, hab keinen Plan B“, sagt der 18-Jährige, der neun Mal in der Woche zweistündig trainiert, dazu kommen noch die Spiele. „Aber der Sport ist nicht versichert, es kann einiges passieren“, sagt Ferati. Und mit dem erfolgreichen BK-Abschluss darf auch er sich – wie Jungfleisch – „Staatlich geprüfter Sportassistent“ nennen und bekäme das auch bei einer weiteren Berufsausbildung angerechnet. Denn die BKler absolvieren neben ihren 21 Wochenstunden Unterricht einen Tag pro Woche ein Praktikum. Im BK gibt es aber weder Tablets noch E-Learning, dafür dauert es drei statt zwei Jahre.

Normalen Sportunterricht? Brauchen Kadersportler nicht

Normalen Sportunterricht haben die Kadersportler übrigens nicht. Sie müssen nur zur Prüfung kommen. Aber bisher habe keiner von ihnen jemals schlechter als mit einer Zwei abgeschnitten, sagt der BK-Abteilungsleiter Roland Bomans.