Sie kommen aus Indien, Afghanistan, Sri Lanka, Bangladesch und Pakistan – trotzdem fühlen sich die Spieler des Stuttgart Cricket Vereins wie eine kleine Familie. Nun versuchen die Gründer, den Sport in Deutschland zu etablieren.

Esslingen - Zwei Stunden und 26 Minuten: Das erste Bundesligaspiel des Stuttgart Cricket Vereins (SCV) endet schneller als erwartet. „Für ein Cricketspiel sind zwei, drei Stunden wenig Zeit“, sagt Roshan Ranasinghe. Der Vorsitzende des SCV steht am Spielfeldrand im Eberhard-Bauer-Stadion in Esslingen, dem Heimspielplatz der Mannschaft. Nach dem fulminanten Sieg gegen den Freiburg Cricket Club (FCC) gönnt er sich ein Stück Pizza, um dann, kurz bevor es an diesem sonnigen Nachmittag doch noch regnet, beim Abbau der Pavillons und der Spielbahn mitzuhelfen.

 

Ranasinghe gründete den SCV 2011 gemeinsam mit Aravinda Ruhunuhewa. Die beiden Männer aus Sri Lanka hatten sich 2007 bei einer Messe in Stuttgart kennengelernt. In den Folgejahren fuhren sie häufig nach Bonn, um dort Cricket zu spielen. „Wir sind oft um vier Uhr morgens aufgestanden, um rechtzeitig zu den Spielen zu erscheinen“, erinnert sich Ranasinghe.

Mit nur fünf Mitgliedern startete der Verein in Stuttgart. An der Gründung war auch Sanjeewa Perera beteiligt. Inzwischen gehören dem SCV über 40 Spieler an. Sie kommen aus Indien, Afghanistan, Sri Lanka, Bangladesch und Pakistan – nur ein Deutscher ist im Team. „Die meisten Deutschen kennen Cricket gar nicht“, sagt Ranasinghe.

Ein Match dauert nicht selten acht Stunden

In Deutschland existieren nur etwa 120 Cricketvereine. Die Nationalmannschaft steht auf Platz 39 der Weltrangliste. Dass der Sport aus England hierzulande noch relativ unbekannt ist, hat mehrere Gründe. Zum einen ist Cricket zeitintensiv – ein Match dauert nicht selten acht Stunden. Zum anderen ist Cricket wetterabhängig: Wegen des empfindlichen Spielfelds, dem „Pitch“, wird das Spiel bei Regen abgesagt. Dazu kommt: Cricket ist ein teurer Sport. Rund 200 Euro kosten allein die Schläger – zwei bis drei davon verbraucht ein Spieler jährlich. Und die Regeln sind komplex.

Trotz des Erfolgs seiner Mannschaft freut Ranasinghe sich deshalb schon über drei oder vier Zuschauer am Spielfeldrand – mitmehr ist ohnehin nicht zu rechnen. 2015 wurde der SCV Südwestdeutscher Meister, in der Bundesliga erreichte das Team den dritten Platz. Zwei der Spieler, Wasantha De Silva und Prajakt Jadhav, drüfen auch in der deutschen Nationalmannschaft aktiv sein. De Silva wurde 2015 zudem als bester Batsman Baden-Württembergs ausgezeichnet, Srikar Injeti als bester Werfer („Bowler“). Doch nicht nur aufgrund guter Resultate ist der Zusammenhalt in der Mannschaft groß. „Wir profitieren von der Erfahrung der älteren Spieler“, sagt Harish Srinivasan, „wir sind wie eine kleine Familie.“ Um bei den Spielen oder beim Training dabei zu sein, nehmen einige Teammitglieder daher lange Anfahrten in Kauf – aus Heidelberg oder aus Regensburg etwa.

Bei einer Schulkooperation lernen Schüler Cricket

Srinivasan studiert Informatik an der Universität Stuttgart. Für die Landeshauptstadt hat sich der 24-jährige Inder 2013 nicht zuletzt wegen des SCV entschieden. „Bevor ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich gegoogelt, wo Cricket gespielt wird“, sagt er. „Das war ein wichtiger Teil meiner Entscheidungsfindung.“

Wie fast alle Spieler des SCV praktiziert Srinivasan den Sport seit seiner Kindheit. „Cricket hat in Indien den Stellenwert von Fußball in Deutschland“, sagt er – und freut sich deshalb, sein Wissen nun selbst als einer der Jugendtrainer an der Hausener Maria-Montessori-Schule weiterzugeben. Mit ihr kooperiert der SCV seit Februar. Dabei können Schüler sowie die Kinder von Flüchtlingen aus der Nachbarschaft an einem wöchentlichen Cricketkurs teilnehmen.

So hofft Ranasinghe, den Deutschen seine Sportart langsam näher zu bringen. „Es wird noch eine Weile dauern, bis Cricket sich in Deutschland etabliert hat“, sagt er und zwinkert: „Vielleicht haben wir in 15 Jahren ein paar mehr deutsche Spieler.“ Für einen Cricketspieler ist das vermutlich sogar eine überschaubare Zeitspanne.

Cricket: Die Regeln

Beim Cricket treten zwei Teams aus je elf Spielern gegeneinander an. Das beginnende Team hat in der ersten Hälfte („Innings“) zwei Spieler mit Schlägern („Batsmen“) auf dem Feld. Sie verteidigen je ein „Wicket“ – eine Konstruktion aus Holzstäben, das der Werfer („Bowler“) der gegnerischen Mannschaft zu treffen und zerstören versucht.

Punkte („Runs“) erzielen die zwei Batsmen, indem sie den Ball wegschlagen und ihre Positionen tauschen. Das wiederholen sie so lange, bis die Feldspieler des anderen Teams den Ball zum Wicket zurückgebracht haben. Jeder Positionswechsel zählt als Run.

Das Ziel des zweiten Teams, bestehend aus Werfer und Feldspielern, ist es, die Batsmen zu einem Fehler zu veranlassen und sie damit aus dem Spiel zu werfen („Wicket“). Scheiden zehn der elf Batsmen aus, endet das Innings und die Mannschaften tauschen die Positionen: Die Schlagmannschaft wird zur Feldmannschaft. Am Ende des Spiels gewinnt das Team mit den meisten Runs.

Heimspiel-Termine des Stuttgart Cricket Vereins (SCV): Sonntag, 17. Juli: SCV – Karlsruhe Tigers CC; Sonntag, 24. Juli: SCV – Karlsruhe Cougars CC