Dies ist die Geschichte eines rasanten Aufstiegs, der neuen Generation des deutschen Hip-Hops, und es ist die Geschichte eines jungen Mannes aus Stuttgart, dessen Gesicht keiner kennt. Cro ist bereits ein Star – jetzt hat er auch ein Album.

Stuttgart - Ein Eisbärmann hätte es auch werden können. Hätte. Im Oktober 2011 geht Carlo Waibel alias Cro mit der norwegischen Band Madcon auf Tour: ein noch relativ unbekannter Künstler, der als Vorprogramm auf die Bühne kommt. Vor dem ersten Konzert stellt sich die Frage: „Ziehen wir das mit der Maskierung jetzt durch?“. Ideen gibt es viele. Backstage wird zunächst einmal gepinselt. „Wir haben Carlo das Gesicht schwarz-rot angemalt, das sah aber alles scheiße aus“, erinnert sich Kodimey Awokou vom Stuttgarter Plattenlabel Chimperator, bei dem Cro unter Vertrag ist. Auf dem Tisch liegen noch ein Eisbärgesicht und eine Pandamaske. Cros DJ und ständiger Begleiter Psaiko.Dino greift sich den Eisbärkopf, Cro bleibt also der Panda. Wie sehr das Ganze durch die Decke gehen wird, inklusive kreischender Fans und den Top Ten der Charts, das ahnen die Jungs zu dieser Zeit noch nicht. Carlo, der Pandamann, wird die Mundpartie des Tiergesichts kurz danach abschneiden, denn sonst müsste er es zum Rappen anheben, um Platz für das Mikrofon zu haben.

 

Cro macht Rap und Pop, also Raop

Knapp acht Monate davor, im Februar 2011, bastelt der Stuttgarter Carlo Waibel im Keller seiner Mutter an ein paar Songs. Er hat eine Ausbildung zum Mediengestalter im Stuttgarter Pressehaus gemacht, spielt Gitarre, Klavier, fährt Skateboard. Auf seiner Myspace-Seite veröffentlicht er sein Mixtape „Meine Musik“, der Rapper Kaas wird aufmerksam und schickt es den Leuten des Independent-Labels Chimperator. Und die, erinnert sich Awokou, finden es einfach gut: „Das hatte einen gewissen Pop-Appeal, Rap als Fundament, aber mit deutlichen Anleihen aus dem Pop.“ Cro macht Gute-Laune-Musik, er mixt Melodien verschiedenster Songs zu einem eigenen Lied, bedient sich bei Bloc Party, Iggy Pop und für seinen ersten großen Hit „Easy“ bei Bobby Hebbs Klassiker „Sunny“.

Damit begann der Durchmarsch auf die ersten Plätze der Charts. Im November 2011 sollte ein erstes Video gedreht werden, das Budget war niedrig, die Entscheidung fiel auf dieses „Easy“, einen kleinen coolen Rapsong, von dem keiner ahnte, was er auslösen würde. Nach zwei Wochen hatte das Video 500 000 Klicks bei Youtube, inzwischen sind es mehr als 21 Millionen. Französische, englische und amerikanische Blogs berichteten, der deutsche Rapper Jan Delay verlinkte das Video auf seiner Facebook-Seite: „Das ist die Zukunft des Deutschrap.“ Die trägt keine weiten Hosen, sondern Ringelshirt zu engen Jeans.

„Easy“ stürmt die Charts, die Konzerte sind ausverkauft

Inzwischen ist „Easy“ auch als offizielle Single erschienen, landete direkt auf Platz zwei der deutschen Charts, im Juni gab es die goldene Schallplatte. Jan Delay hat auch eine geschickt bekommen, als Dankeschön für die frühe Unterstützung. Und nun das erste Album. Einige der Songs hat Cro bereits bei seiner restlos ausverkauften „Hip Teens wear tight Jeans“-Tour im April und Mai vorgestellt. Am 14. Juli ist er bei den Hip-Hop-Open in Stuttgart zu Gast.

Gemeinsam mit den Stuttgarter Rappern Die Orsons gilt Cro inzwischen als die neue Generation des Hip-Hops aus Stuttgart. In seinen Liedern geht es nicht um das harte Leben auf der Straße, Schimpfwörter sind gestrichen. Er selbst sagt, er rappe einfach über sein Leben. Das scheint ihm gerade richtig viel Spaß zu machen. Seinen Stil nennt er „Raop“, ein Wortspiel aus Rap und Pop („Ab heute bin ich euer King of Raop“).

„Dieser Mann trifft den Zeitgeist“

„Er trifft einfach den Zeitgeist mit seiner Musik und seinem Style“, sagt Schowi alias Jean-Christoph Ritter von der Stuttgarter Hip-Hop-Band Massive Töne. Carlo sei ein echtes Talent, sagt der DJ und Rapper. Wie alt dieses Talent genau ist, möchte keiner sagen. Auf Nachfrage grinst Carlo und sagt: „So zwischen 19 und 21.“ Es wird ein bisschen Geheimnis aus allem gemacht. Leute, die Carlo besser kennen, sagen, er sei ständig mit etwas beschäftigt. Liegt ein Blatt Papier vor ihm, zeichnet er, im Tourbus programmiert er einen Beat, im Flugzeug bemalt er Sneaker mit einem mosaikartigen Muster. Für sein eigenes Klamottenlabel VioVio designt er T-Shirts, die trägt er auch im neuen Video zu „Meine Zeit“ („Meine Zeit ist jetzt, egal was kommt, Mann, ich bleib relaxt. Ich lehn mich zurück und schreib ’nen Text. Noch keinen Plan wohin, doch bis jetzt war’s fett“).

Der Clip wurde in Stuttgart gedreht, und so erscheint die Stadt nach längerer Zeit mal wieder in einem Hip-Hop-Video. Die Texte für seine Songs schreibt Carlo selbst. Er arbeitet schnell, da kann es schon sein, dass er sich abends hinsetzt und um 5 Uhr morgens eine E-Mail mit einem neuen Song bei seinem Plattenlabel eintrifft. „Dann öffnest du das und denkst: Hey, das ist ein Hit“, sagt Awokou.

Irgendwann wird die Maske fallen

Noch kann sich Carlo ohne Maske relativ unerkannt durch die Städte bewegen, irgendwann wird sie fallen, dann wird er auch beim Einkaufen, in der Bahn oder beim Feiern erkannt werden. Noch wird seine Identität geschützt.

Nach seinem Konzert im Stuttgarter Universum im April steht er ohne Maske an der Bar des Clubs Schräglage. Es ist heiß, er hat die Maske im Backstage-Bereich abgenommen, jetzt steht er da und quatscht mit Freunden. Groß ist er und schlank, es ist ein hübsches Gesicht, das sich unter der Maske verbirgt. „Er geht mit dem ganzen Hype relativ entspannt um“, sagt sein Tourmanager Steffen Posner. Die Auszeiten kann Carlo dank Maske noch selbst wählen. Der selbst ernannte King of Raop hat jede Menge Spaß zurzeit. Seine Zeit ist eben jetzt.

Das neue Album „Raop“

„Raop“ heißt Cros Album, das 6. Juli in die Läden kommt. Der Plan des Plattenlabels Chimperator war, vorab drei Singles in drei Tagen zu veröffentlichen. Am Freitag in der Woche davor erschien die erste Single „Du“, am Samstag folgte „King of Raop“ und am Montag „Meine Zeit“. Mit allen drei Songs ist Cro bereits in den Top Ten der iTunes-Charts. Das cabriotaugliche „Du“ belegt Platz 1. „Raop“ enthält 13 Songs und kein einziges Feature. Cro rappt sich allein durch sein Album. Ungewöhnlich, da sich die meisten Künstler immer häufiger prominente Unterstützung holen. Der Sound passt zum Sommer, er ist leicht, gut gelaunt und tanzbar. Bis auf das nachdenklichere „Ein Teil“ bleibt es fröhlich auf dem ersten Album.