Exklusiv Unter Berufung auf das Umweltinformationsrecht forderten Bürger Einblick in einen der umstrittenen Cross-Border-Leasing- Verträge. Die Stadt lehnte das ab, nun muss das Verwaltungsgericht entscheiden. Die Kläger erinnern OB Kuhn an sein Transparenz-Versprechen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Wie hält es die Stadtverwaltung mit der von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) im Wahlkampf versprochenen Transparenz? Darum geht es in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart, in dem am Donnerstag nächster Woche die Verhandlung angesetzt ist. Nach Auskunft einer Gerichtssprecherin will ein Bürger per Klage Einblick in die Cross-Border-Leasing-Verträge zum Stuttgarter Kanalnetz erzwingen. Ein Antrag auf Zugang nach dem Umweltinformationsrecht war von der Stadt abgelehnt worden, auch der Widerspruch dagegen blieb erfolglos.

 

Die Stadt hatte das Kanalnetz im Jahr 2002 für gut 23 Millionen Euro an einen amerikanischen Investor verkauft, der dafür in den USA Steuervorteile kassierte, und anschließend von diesem zurückgemietet. Im Zuge der Finanzkrise gerieten die CBL-Verträge massiv in die Kritik, teilweise wurden sie – etwa im Fall der Stuttgarter Klärwerke – vorzeitig aufgelöst. Mit einem Antrag nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) wollten drei Privatpersonen – Mitglieder der „Ingenieure 22“ – erreichen, dass der bisher geheime Vertrag zum Kanalnetz samt etwaigen Nachträgen und Nebenabreden offengelegt wird. Es sei „ein Unding für eine öffentliche Verwaltung“, dass niemand dessen Inhalt kenne und selbst dem Gemeinderat nur eine Zusammenfassung vorliege, sagt ihr Sprecher Wolfgang Kuebart. Dabei müssten die Bürger im Zweifel die Nachteile ausbaden – so wie bei der Auflösung der CBL-Verträge zur Wasserversorgung, wo Millionenverluste durch erhöhte Wasserkosten kompensiert worden seien.

Ermutigt von Kuhn und den Landes-Grünen

Von Fritz Kuhns Wahlkampfversprechen fühlten sich die Antragsteller ermuntert. „Transparenz und Bürgerbeteiligung sind für Stuttgart entscheidend“, hatte dieser als OB-Kandidat betont. Bestärkt sehen konnten sie sich auch von den Grünen auf Landesebene, die für die bisher wenig bekannten Auskunftsrechte nach dem Umweltinformationsrecht warben; inzwischen werden diese bereits erheblich intensiver genutzt. Auf die von der Landesregierung bekräftigte Rechtsauffassung, dass der Umweltbegriff sehr weit auszulegen sei, hatten sich auch die Ingenieure berufen. Doch bei Kuhns Mitarbeitern hatten sie bis jetzt keinen Erfolg: Ihr Antrag wurde im Jahr 2013 zunächst vom Chef der Stadtkämmerei abgelehnt, der Widerspruch dagegen dann vom Ersten Bürgermeister Michael Föll (CDU).

Die Begründung des Rathauses: zum einen handele es sich nicht um Umweltinformationen, weil die Leasingverträge keine Daten etwa zum chemischen oder biologischen Zustand des Wassers enthielten. Zum anderen müssten Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse geschützt werden: es gehe um „exklusives technisches, kaufmännisches und rechtliches Wissen“, das Rückschlüsse auf das Geschäftsmodell zulasse. Bei einer Anhörung hätten „nicht alle“ Parteien der Bekanntgabe zugestimmt. Die Stadtverwaltung konnte zudem „nicht erkennen“, warum an den Verträgen ein besonderes öffentliches Interesse bestehen solle, das den Geheimschutz überwiege.

Kein Verständnis für die Ablehnung

Für die Antragsteller sind diese Gründe nicht stichhaltig. Es handele sich um eine „geradezu typische Umweltinformation“ argumentieren sie; schließlich sei die Gesamtverantwortung für das Kanalnetz mit allen Auswirkungen zweimal übertragen worden, erst auf den US-Investor und dann wieder auf die Stadt. Zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen würden lediglich „nicht nachvollziehbare pauschale Behauptungen“ aufgestellt; Angaben über zu befürchtende Schäden fehlten. Dass ein erhebliches öffentliches Interesse bestehe, lasse sich angesichts der breiten kritischen Resonanz zum Cross-Border-Leasing ohnehin kaum bezweifeln.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht haben beide Seiten ihre Argumente laut der Sprecherin „im Wesentlichen wiederholt“. Für die Kläger geht es dabei auch um die Glaubwürdigkeit des Oberbürgermeisters. Er sei in die Vorgänge von 2002 zwar nicht verwickelt, müsse aber heute für Transparenz sorgen. Die Blockade seiner Verwaltung stehe „in krassem Gegensatz zu jeglicher Grünen-Politik“, schrieben sie an Fritz Kuhn. Man könne sich „kaum vorstellen“, dass diese von ihm gebilligt werde.