Die CSU will gegen angeblich „massenhaften Missbrauch“ vorgehen, obwohl die Regeln bereits verschärft wurden – und damit auch die SPD gegen sich aufgebracht. Die Flüchtlingspolitik erhitzt die Gemüter der ohnehin zerstrittenen Koalition.

Berlin - Die Flüchtlingspolitik erhitzt die Gemüter der ohnehin zerstrittenen Koalition. CSU-Chef Horst Seehofer hat mit markigen Worten und der Ankündigung, die Standards bei der Unterbringung senken zu wollen, die Opposition, und auch die SPD gegen sich aufgebracht. Dabei sind zügigere Abschiebungen zwischen Bund und Ländern schon Konsens. Ziel ist es, mit schnelleren Verfahren die Kommunen zu entlasten. Für eine Verschärfung der bayerischen Tonlage bestand deshalb eigentlich keine sachliche Notwendigkeit, weshalb die SPD billige Stimmungsmache am rechten Rand vermutet.

 

Der Flüchtlingsgipfel im Juni hatte beschlossen, dass künftig schneller und rigoroser abgeschoben werden kann. Abgelehnte Asylbewerber sollen innerhalb von drei Monaten zur Heimreise gedrängt werden. Der Bund, so das Ergebnis des Gipfels, „sagt eine verstärkte Unterstützung der Länder bei der Durchführung der zwangsweisen Rückführung zu“. Außerdem sollen die Asylverfahren generell beschleunigt und Städte und Gemeinden finanziell entlastet werden. Allein 2015 steht dafür eine Milliarde Euro zur Verfügung. Die SPD will diesen Bundesanteil verstetigen.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass derzeit rund 175 000 Ausländer in Deutschland leben, die das Land eigentlich verlassen müssten. Davon sind allerdings 125 500 Menschen geduldet; das bedeutet, dass die Abschiebung ausgesetzt ist, etwa, weil im Herkunftsland ein Bürgerkrieg tobt. Die Duldung endet, wenn die Gründe, die gegen eine Abschiebung sprechen, nicht mehr existieren. Bis Ende Mai wurden laut Ministerium in diesem Jahr 4508 Menschen abgeschoben, 639 aus Baden-Württemberg. Immer wieder war zuletzt in diesem Zusammenhang beklagt worden, dass dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht genug Sachbearbeiter zur Verfügung stehen, um die Anträge schneller als bisher zu bearbeiteten.

Kretschmann hadert mit Verteilungsschlüssel

Der Bundestag hat darüber hinaus erst vor kurzem ein Gesetz verabschiedet, wonach Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus nach acht Jahren ein Bleiberecht erhalten, wenn sie sich erfolgreich integriert haben. Jugendliche dürfen schon nach vier Jahren erfolgreichem Schulbesuches hoffen, hier bleiben zu können. Die Regierung ging damit auch auf Forderungen der Wirtschaft ein, die angesichts des Fachkräftemangels verstärkt auf qualifizierte Einwanderung setzt. Vor diesem Hintergrund ist auch die Forderung von NRW-Innenminister Guntram Schneider (SPD) zu verstehen, hoch qualifizierten Flüchtlinge mit einer „Blue Card“ eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Raimund Becker, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, hatte ebenfalls gefordert, hoch qualifizierte Asylbewerber müssten die Blue Card der EU erhalten können, damit sie bereits arbeiten können, auch wenn ihr Asylverfahren noch läuft. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) lehnt dies jedoch ab. Sein Staatssekretär Günter Krings (CDU) sagte der „Rheinischen Post“, er halte davon nichts. „Wenn wir Zuwanderungswilligen sagen: Kommt erst mal her, dann sehen wir, ob ihr über den Asylantrag oder die 'Blue Card' bleiben könnt, würde das enorme zusätzliche Anreize schaffen“, meint Krings.

In der Frage der Unterbringung von Flüchtlingen hatte sich zuletzt auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zu Wort gemeldet. Er regte an, Flüchtlinge vermehrt im bevölkerungsarmen Ostdeutschland unterzubringen. Bisher werden die Flüchtlinge nach festgelegten Prozentsätzen, dem Königsteiner Schlüssel, verteilt. Kretschmann würde dies gern ändern: „Wir können nicht nur nach dem Schlüssel operieren, sondern müssen auch schauen, wo tatsächlich Wohnraum vorhanden ist.“