Bayern meint sich ziemlich viel leisten zu können. Selbst ein Dauergekabbel zwischen Ministerpräsident Horst Seehofer und seinem möglichen Nachfolger Markus Söder.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Bayern hat fast in jedem Bereich deutschlandweit eine ziemliche Ausnahmestellung. Aus dem vormals von vielen anderen Bundesländern bezuschussten Ackerland ist ein global kompatibles Gebilde geworden, das sich weltweit als Zukunftsmodell teuer verkauft: Im Freistaat wird hochfortschrittlich geschafft, und die Landsleute wähnen sich allweil dem Paradies schon recht nahe (um ein Mantra Horst Seehofers zu paraphrasieren). Sahnetupfer obendrauf: die Berge und der FC Bayern. Höher hinauf und hinaus geht’s nimmer. Dass zudem der FC Ingolstadt die Zweite Liga anführt, derweil Chaotentraditionsklubs wie der 1. FC Nürnberg (wo Markus Söder herkommt) und 1860 München am Abstieg werkeln, muss man zurzeit ebenfalls als Zeichen mit einbeziehen. In Ingolstadt wurde Horst Seehofer geboren.

 

Allen Turbomodernismen zum Trotz gibt es im Freistaat aber auch eine anhaltende Tendenz zum Archaischen, also zum Beispiel zum Führen von Erbfolgekriegen, wie man sie aus Romanen von Ludwig Anzengruber („Der Meineidbauer“) oder von Ludwig Thoma („Der Wittiber“) kennt. In der Fiktion sind es jeweils Bauernväter und Söhne, die sich förmlich ineinander verkeilen, bis am Ende kein Stein mehr auf dem andern steht. Der Ministerpräsident Seehofer wie sein Finanzminister scheinen momentan fest entschlossen, eine Art von Anzengruber-Thoma-Mix zu reloaden: live und vor den Augen aller anderen Freistaatler, mögen auch die Flüchtlingskasernen derweil eine nach der anderen überlaufen. Kann es Wichtigeres geben als Machtkämpfe unter Männern wie Anno Tobak?

Jeder läuft seine eigene Sackgasse entlang

Seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat das Gekabbel zwischen den gern als „Alphatieren“ apostrophierten Politikern, die tatsächlich Vater (Seehofer, Jahrgang 1949) und Sohn (Söder, von 1967) sein könnten, jetzt damit, dass beide überhaupt nicht mehr miteinander sprechen, was man sich zwischen Geldverwaltung (Söder) und Generalstabsplanung (Seehofer) auch erstmal leisten können muss. Aber wozu gibt es den Apparat? Der ist bei Seehofer in der Staatskanzlei so strukturiert, dass der Chef machen darf, was er will. Bei Söder ist das nicht anders: beide verzichten auf Korrektive in ihrer professionellen Umgebung. So läuft jeder seine eigene Sackgasse entlang.

Angefangen hat das alles mit der legendären Weihnachtsfeier vor knapp zwei Jahren, als Seehofer in kumpeliger Manier unter Journalisten Denunziation betrieb: Söder, der sich damals nach Jahren als Europa- und Umweltminister sehr schnell ins Finanzministerium eingearbeitet hatte, war ihm zu rasch zu groß geworden. Und dass der ehemalige Generalsekretär Söder selbst intrigieren kann, war nun auch wieder bekannt. Seehofer sprach pauschal von „Schmutzeleien“.

Von da an war das Verhältnis nicht mehr zu reparieren. Söder, der natürlich nichts lieber würde als Ministerpräsident, rächte sich, als er sowohl 2013 wie auch im Jahr danach beim Maibockanstich im Hofbräuhaus Seehofer schmähte, ihn unter anderem als Politikdarsteller in der „Haupt- und Nebenrolle und als Newcomer“ nominierte, auf dessen Aufhören man wohl noch lange warten müsse. Den anwesenden Beamten, nicht nur denen aus der Staatskanzlei, verschlug es wiederholt die Sprache.

Söder und Seehofer sind aus ähnlichem Holz geschnitzt

Spätestens nach dem überfälligen Rücktritt der Staatskanzleichefin Christine Haderthauer im Rahmen der sogenannten Modellauto-Affäre, die auch Seehofer nicht gut ausschauen ließ, hat Söder immer wieder nachgelegt. Neben Ilse Aigner (und Alexander Dobrindt, Joachim Herrmann, Manfred Weber) hatte er vor allem Haderthauer als Konkurrentin gefürchtet, wenn man bei ihm von Furcht reden kann. Unerschrocken jedenfalls war wieder Söders jüngste Forderung nach einem „Konjunktur-Check“ für Maßnahmen der großen Koalition in Berlin. Solche kleinen Wochenendfeuerwerke waren einmal eine Spezialität Seehofers, der Söder freilich sofort rüffelte, indem er so tat, als wisse er nun noch nicht mal mehr dessen Namen. Dann drohte der Ministerpräsident, Söders Albtraum, einfach noch länger als bis 2018 zu bleiben, was sich mit der Fraktion so lange machen ließe, wie Seehofer Garant dafür bleibt, dass die absolute Mehrheit steht. Mit Söder an der Spitze würde man darauf nicht wetten.

Der unproduktive Streit zwischen Söder und Seehofer erscheint umso bizarrer, je häufiger man sich vor Augen führt, dass die beiden aus ähnlichem Holze geschnitzt sind: Beide haben sich aus kleineren Verhältnissen und ohne viel Elternhilfe nach oben durchgeboxt. Beide haben eine manchmal verletzende, teils zynisch wirkende Art. Beide sind sich selbst immer am nächsten und stehen sich an Sprunghaftigkeit nicht viel nach. Selbstzweifel sind etwas für andere Leute. Horst Seehofer und Markus Söder sind sich ähnlicher als man glaubt, und es kann gut sein, dass, wie bei Anzengruber und Thoma und deren Väter und Söhnen, demnächst einmal der Hof brennt. Im Dezember auf dem Parteitag in Nürnberg womöglich? Aber Bayern hat’s ja.