Der Waliser Cynan Jones hat einen präzisen Blick für die Not der kleinen Leute. Wie bereits in „Graben“ schildert er auch in „Alles, was ich am Strand gefunden habe“, wie Menschen mit dem Nöten des Alltags kämpfen – und dabei am Ende unter die Räder kommen.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Auf den ersten Blick hat es etwas Märchenhaftes: zwei Männer, die außer ihrem wenig hoffnungsvollen Streben nach etwas Glück nichts gemeinsam haben, kommen an einen Schatz. Endlich, so glauben sie, kommen sie aus ihrer täglichen Misere heraus, endlich können sie ihren Familien ein bisschen Sicherheit bieten – beziehungsweise, ein altes Versprechen einlösen.

 

Endlich, so möchte man mit den Helden in Cynan Jones’ „Alles, was ich am Strand gefunden habe“ glauben, wendet sich alles zum Guten. Doch diese Hoffnung trügt, denn bei dem vermeintlichen Schatz handelt es sich um Drogen – die natürlich einem Profi gehören und nicht einem dahergelaufenen Amateur, der sie zu Geld machen will.

Wie schon im grandiosen „Graben“ schildert der gebürtige Waliser Jones das Leben der einfachen Leute mit Empathie und eindrucksvollem Realismus: wie sie in der Fleischfabrik malochen, wie sie für ein paar Kröten auf Kaninchenjagd gehen, wie sie versuchen, aus ihrem Leben das Beste zu machen. Jones verurteilt seine Helden nicht dafür, dass sie, beide eigentlich rechtschaffene Männer, ihr Heil in einem illegalen Geschäft suchen.

Denn der polnische Arbeiter Grzegorz und sein britisches Pendant Hold haben mit der nackten Existenzsicherung viel zu viel zu strampeln, als dass sie sich so eine Chance entgehen lassen könnten. Da nehmen sie die Gefahr des Scheiterns billigend in Kauf.

Erneut ist Cynan Jones ein mit 250 Seiten kompaktes, aber sehr konzentriertes Stück Literatur gelungen. Mit leisem Bedauern lässt er seine Figuren einen Weg gehen, auf dem es kein Zurück gibt. Sehr beeindruckend – aber auch ziemlich bedrückend.

Cynan Jones: Alles, was ich am Strand gefunden habe. Aus dem Englischen von Peter Torberg. Liebeskind, 240 Seiten, 20 Euro, auch als E-Book