Wie sieht Stuttgart von oben aus? Wir werfen einen Blick auf fremde Dachterrassen und Dachgärten. Die LBBW-Niederlassung am Bollwerk etwa hat ein sehr großzügiges Open-Air-Terrain.

Stuttgart - Banken bauen sich bekanntlich Paläste. Das gehört nach der vorherrschenden Volksmeinung zusammen wie Soll und Haben. Entdeckt man grüne Vegetation auf dem Dach, ist das nächste Klischee fällig: Aha, hier lustwandeln sicher nur die privilegierten Herren Vorstände. Bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) kann man das nur als irrige Unterstellung zurückweisen. Ihre Konzernzentrale, das Flaggschiff mit dem eleganten konvexen Schwung am Bahnhof, erfüllt zwar tatsächlich die Erwartung einer sehr selbstbewussten Architektur, aber „das Grün am Dach ist lediglich eine intensive Begrünung“, wie Pressesprecher Rüdiger Schoß verrät. Zum Wohle des Gebäudeklimas und der Stadtökologie. Das Gleiche gelte für die Filiale in der Königstraße, auch hier solle man sich vom Blick nach oben nicht täuschen lassen. Und dann wird Schoß doch noch fündig: Die Niederlassung der LBBW am Bollwerk besitzt eine Dachterrasse. Genau genommen sogar zwei. Für alle, die in diesem Haus arbeiten und in der Pause eben mal ein bisschen Sonne und die sensationelle Aussicht genießen wollen.

 

Es war noch die Landesbank Stuttgart, 1987 aus der Landesgirokasse hervorgegangen, die Anfang der 90er Jahre einen Standort für eine neue Niederlassung suchte und schließlich auf der Brache des Bollwerks an der Fritz-Elsas-Straße fündig wurde. Das Architekturbüro von Stefan Behnisch gewann den Wettbewerb, 1997 war das Gebäude fertiggestellt. Interessant strukturiert, Transparenz durch große Glasflächen vermittelnd und um einen offenen Innenhof mit Stahlskulpturen gruppiert. Vielen Stuttgartern vertraut vom Vorübergehen: auf dem Weg zum integrierten Filmtheater Atelier am Bollwerk oder zum Restaurant Fellini. Aber ohne den geringsten Gedanken daran, jemals in die hermetische Bankenwelt ohne Publikumsverkehr eindringen zu wollen. Was hätte man auch dort verloren? Denn die LBBW, Hausbank des Landes und der Landeshauptstadt, hat hier ihre Tochterfirmen LBBW Asset Management und LBBW Immo mit etwa 400 Mitarbeitern untergebracht.

Mehr Terrasse als Garten auf dem Dach

Erst im siebten Stock offenbart sich, was Behnisch eingeplant hat: Ein sehr großzügiges Open-Air-Terrain, mehr Dachterrasse als Dachgarten, dieses Prädikat wäre für die Begrünung mit kugelig geschnittenen Buchsbäumen und einigen Pflanzinseln übertrieben. Kein Blättchen stört den Anblick des eleganten grauen Holzbodens, es herrscht absolutes Rauchverbot, und alles ist ordentlich und aufgeräumt, passend zum Geschäft mit Zahlen, das Präzision und Akkuratesse verlangt.

„Diese Terrasse ist für alle Mitarbeiter da“, versichert Oliver Männel, Marketing-Chef bei LBBW Asset Management. Es ist Mittagszeit, aber kein Mensch hier oben zu sehen. Offenbar hat niemand das Bedürfnis, mal zwischen Bilanzen und Börsenkursen abzuschalten und über den Bildschirm-Rand ins Weite zu blicken. Nach Nord, Ost und West, denn vom Bahnhof über den Killesberg bis zur Halbhöhenlage des Westens offenbart sich hier wieder die einmalige topografische Attraktivität Stuttgarts. Hier könne man sich auch zu kleinen Besprechungen treffen, meinen Schoß und Männel. Das müssen wohl Stehkonvente sein, nur ein einziger Stuhl lädt zum Sitzen ein.

Aber der Architekt hat noch für eine zweite Terrasse gesorgt: im fünften Stock des hinteren Gebäudetrakts, mit angrenzender Teeküche, Tischen, Stühlen und Sonnenschirmen. Und hier nehmen gerade zwei Damen ihr Mittagessen ein, geholt beim Türken gegenüber. Denn eine Kantine gibt es nicht im Haus, nur einen Caterer mit Frühstücksangebot. „Kein Problem“, sagen die jungen Frauen, „die Lokale in der Nachbarschaft sind auf diesen Service eingestellt.“ Den unverstellten Blick auf den Fernsehturm, Degerlochs Höhen und den Süden der Stadt liefert der Arbeitgeber als Bonus dazu.

Manchmal bringt die Aussicht von solch hoher Warte überraschende Offenbarungen: „Haben Sie schon den Dachgarten der Feuerwehr entdeckt?“, fragt Rüdiger Schoß und deutet auf ein grünes Biotop in der Nachbarschaft. Ein veritabler Garten. Sogar mit Palmen! Davon das nächste Mal mehr.