Der Unternehmenserfolg soll eine größere Rolle bei der Vergütung spielen. Personalberater sehen die Umstellung kritisch.

Stuttgart - Große Unternehmen rücken bei der Bezahlung der Führungskräfte von Bonuszahlungen ab, die auf die persönliche Leistung abstellen. So hat Daimler-Personalchef Wilfried Porth im Interview mit der Stuttgarter Zeitung eine Umstellung angekündigt, danach hängt der Bonus nur noch vom Gewinn ab. Seine Begründung: „Wir wollen einfach nicht mehr die oft langen Diskussionen führen, ob jemand nun 100, 110 oder 115 Prozent der Zielvorgabe erreicht hat.“ Im vorigen Jahr hat der Elektro- und Elektronikkonzern Bosch die Vergütung umgestellt und die persönlichen Boni abgeschafft.

 

Bosch und Daimler sind allerdings nicht alleine. So hat der Chiphersteller Infineon schon 2010 die variable Vergütung vom Erreichen persönlicher Ziele abgekoppelt; der Bonus orientiert sich nur noch am Unternehmenserfolg. Darin sieht das Unternehmen den zusätzlichen Vorteil, dass die jährlichen Mitarbeitsgespräche nicht mehr mit der Bonusfestlegung belastet sind. Auch die Lufthansa hat im vorigen Jahr beschlossen, die Themen Bonus und Leistung zu entkoppeln. Gegenwärtig läuft die Umsetzung; maßgeblich sind nach Angaben eines Sprechers jetzt der Gewinn der Airline und das Spartenergebnis.

Unmut über die Leistungsbeurteilung

Bei SAP wurde die Bonusregelung in den Jahren 2013/2014 geändert; seitdem können die Mitarbeiter wählen, ob sich der Bonus am Unternehmenserfolg bemisst oder an einer Kombination aus Unternehmenserfolg und persönlicher Leistung. BMW will Daimler nicht folgen. Der Bonus orientiert sich bei den Bayern an der persönlichen Leistung sowie am Unternehmenserfolg, und dabei soll es bleiben. Der Versicherungskonzern Axa hat sein System umgestellt und gewichtet jetzt den Erfolg des Unternehmens stärker. Der Bonus bemisst sich aber weiter auch an persönlichen Zielen, sagt Christin Clodius, Leiterin Vergütung bei Axa Deutschland. Aber diese Ziele werden direkt an den Unternehmenserfolg gekoppelt. Zum Leitbild von Axa gehört der Satz: „Gemeinsam erreichen wir mehr.“ Darauf, so sagt sie, habe Axa die Vergütung ausgerichtet.

„Es gibt einen generellen Trend zur Überarbeitung der individuellen Boni, allerdings keine Massenbewegung davon weg“, sagt Alexander von Preen, Geschäftsführer und Partner bei der Personal- und Unternehmensberatung Kienbaum. Das deckt sich mit den Erfahrungen des Vergütungsexperten Michael Kramarsch, Partner bei der Unternehmensberatung Hkp: „Es gibt diesen Trend“, sagt er. Seit zwei, drei Jahren werde eine intensive Diskussion geführt, die aus der Unzufriedenheit mit internen Systemen zur Leistungsbeurteilung stammt. „Es stimmt ja“, sagt Kramarsch. „Am Ende des Jahres hat meistens der Berg gekreißt und eine Maus wurde geboren.“

Der Mittelstand setzt auf Festgehälter

Der Anteil der persönlichen Boni am Gehalt schwankt beträchtlich nach der Größe des Unternehmens und nach der Hierarchieebene. Wo ein persönlicher Bonus gezahlt wird, hat er nach von Preens Angaben einen Anteil von 40 bis 60 Prozent am Gesamtbonus. Der Gesamtbonus kann nach Angaben des Fachmanns in Konzernen einen Gehaltsanteil von 70 Prozent auf der Führungsebene und von 50 Prozent und 30 Prozent auf den beiden Ebenen darunter haben. Im Mittelstand haben Festgehälter mehr Gewicht. Bei den Chefs betrage der Bonusanteil 30 bis 35 Prozent, sagt von Preen, auf den zwei Ebenen darunter 20 Prozent und zehn bis 15 Prozent.

Sowohl von Preen als auch Kramarsch sind allerdings skeptisch, ob sich mit der Abkehr vom Individualbonus nun alles zum Besseren wendet. Bosch und Daimler wollen im Unternehmen eine Start-up-Kultur etablieren, also eine offene Atmosphäre, in der teamorientiert gearbeitet wird und Raum für intensive Kommunikation ist, in der Fehler ausdrücklich zugelassen sind und die Beteiligten einen vertrauensvollen Umgang pflegen. Von Preen verlangt, dass die Unternehmen den Wandel nicht nur postulieren, sondern sich den Veränderungen wirklich stellen und durch Vorbilder glaubhaft machen. Weitere Voraussetzung: ein langer Atem. Kramarsch geht noch einen Schritt weiter: „Man kann individuelle Boni abschaffen, aber ich glaube nicht, dass das viel ändert. Jede Organisation muss ihre Mitarbeiter differenzieren. Ich traue mich zu sagen: In spätestens fünf Jahren werden Daimler und Bosch wieder in die andere Richtung gehen.“

Das neue Schlagwort lautet Spot Award

Die Betriebe schaffen in der Regel die Bezahlung nach der Leistung nicht ab, sondern bauen sie ins Grundgehalt ein. Wer besonders gut gearbeitet hat, bekommt dann eine kräftigeres Gehaltsplus als ein Manager mit Durchschnittsergebnis – was Kritiker als Hinwendung zur Intransparenz bezeichnen. Das System hat ohnehin Grenzen. Zum Beispiel bei einem Leistungsträger, der im Vergleich schon sehr gut verdient, aber weiter Spitzenleistungen bringt. „Den können sie in der Grundvergütung nicht weiter anpassen“, sagt Kramarsch. Der Teufel stecke eben im Detail.

Ein Ausweg besteht darin, dass viele Unternehmen ihren Führungskräften ein Budget geben, um besondere Leistungen schnell und nicht erst am Jahresende finanziell belohnen zu können, den sogenannten Spot Award oder Spot Bonus.