Dass die Wirtschaft das Primat der Politik anerkennt, ist richtig. Trotzdem ist es falsch, dass Daimler-Chef Zetsche die Politik von US-Präsident Trump völlig unkommentiert lässt, findet StZ-Autor Michael Heller.

Stuttgart - Eine Pressekonferenz ist kein polizeiliches Verhör; wer die Frage eines Journalisten nicht beantworten will, der muss das nicht. Von diesem Recht hat Daimler-Chef Dieter Zetsche ausgiebig Gebrauch gemacht. Er hatte sich von Beginn an vorgenommen, nichts zur aktuellen US-Politik unter dem neuen Präsidenten Donald Trump zu sagen, und bei dieser Linie ist er trotz einer Vielzahl von Nachfragen geblieben – wobei die Erwiderungen im Lauf der Zeit immer schroffer wurden. Aber, wie gesagt, Zetsche darf das. Die ganz andere Frage ist, ob der Daimler-Chef gut damit beraten ist, keinerlei Einfluss auf den dramatischen Wandel der jüngsten Zeit nehmen zu wollen. Gewiss ist es richtig, wenn ein Konzernchef zunächst einmal das Primat der Politik anerkennt. Aber es reicht nicht, pflichtschuldig und ganz allgemein auf die Vorteile offener Märkte hinzuweisen und im Übrigen darauf zu vertrauen, dass das Nafta-Abkommen gewiss in irgendeiner Form fortbestehen werde.

 

Kaeser gibt eine bessere Figur ab als der Daimler-Chef

Das hat Siemens-Chef Joe Kaeser bei der Hauptversammlung seines Unternehmens besser gemacht – mit der Einschränkung, dass es für ihn auch galt, seine Pro-Trump-Haltung aus der Zeit vor den Wahlen zu korrigieren. Kaeser ist es gelungen, die richtigen Worte zu finden und an den ganz grundsätzlichen Wert von Freiheit, Freizügigkeit und Offenheit zu erinnern – Zetsche bedauerlicherweise nicht.

Denn ein Unternehmen, das so wie Daimler in den vergangenen Jahren in jeglicher Hinsicht erfreulich offen geworden ist – das gilt für die Märkte ebenso wie für die Mitarbeiter und deren Diversität –, darf sich nicht wegducken, wenn fundamentale Werte in Gefahr geraten. Gerade Dieter Zetsche wäre mit seiner langen US-Erfahrung und seiner unprätentiösen Art der Richtige, gegen Tendenzen zu Nationalismus und Abschottung anzugehen – zumal Daimler mit 22 000 Beschäftigten in den USA ein sehr wichtiger Arbeitgeber ist. Als es um das umstrittene Handelsabkommen TTIP ging, da waren Zetsche und die anderen Autobosse in Deutschland weniger zurückhaltend. Da wurde das hohe Lied des Freihandels gesungen, obwohl es in allererster Linie um die Eigeninteressen der Autobauer ging. Zetsche hat am Donnerstag einen schwachen Auftritt hingelegt.