Der geplante Verkauf von Autohäusern sorgt für eine große Verunsicherung im Vertrieb, kritisiert Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht.

Stuttgart - Die Neuausrichtung des konzerneigenen Vertriebs von Daimler in Deutschland belastet nach Angaben von Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht in erheblichen Maße das Betriebsklima. „Wir haben eine riesige Unruhe im Vertrieb“, kritisiert der Betriebsratschef. Der Umbau des Vertriebs ist ein wesentlicher Teil der von Daimler-Chef Dieter Zetsche geplanten Kostensenkungen. Insgesamt betrifft dies 15 000 Mitarbeiter an 158 Standorten.

 

Die Unternehmensführung hat im Juli des vergangenen Jahres beschlossen, dass die konzerneigenen Niederlassungen in diesem Jahr zu Verbünden zusammengefasst und 40 Standorte an Investoren abgegeben werden sollen. Dieser Verkauf soll in diesem Jahr Schritt für Schritt abgewickelt werden. Zudem sollen die in einer eigenen Vertriebsgesellschaft mit eigenem Betriebsrat organisierten 23 ostdeutschen Standorte mit 1400 Beschäftigten komplett abgegeben werden. Das chinesische Unternehmen Lei Shing Hong, weltweit der größte Vertriebspartner von Daimler, will einen Betrieb in Erfurt kaufen und soll auch ein Interesse haben, sämtliche ostdeutschen Standorte zu übernehmen. Angeblich gibt es dafür zwei weitere Bewerber. Vor kurzem gab es Warnstreiks, weil die IG Metall und der Betriebsrat der ostdeutschen Vertriebsgesellschaft eine Arbeitsplatz- und Standortsicherung verlangen.

Für die Autohäuser im Osten ist der Daimler-Gesamtbetriebsrat nicht zuständig, leistet gleichwohl im Rahmen des Möglichen Unterstützung. Für die Autohäuser im Westen hat er im vergangenen Jahr nach massiven Protesten umfangreiche Absicherungen ausgehandelt. Kündigungen sind bis 2023 ausgeschlossen. Wie Daimler-Betriebsratschef Brecht berichtet, wird mit der Vereinbarung beispielsweise auch der materielle Besitzstand eines 50-jährigen Mitarbeiters garantiert, auch wenn er nach einem Verkauf eines Autohauses den Arbeitgeber wechselt. Das Unternehmen äußert sich nicht zum Kreis der möglichen Investoren. Nach Informationen der Stuttgarter Zeitung wird mit mehreren, teils auch internationalen Interessenten verhandelt. Wie Brecht berichtet, werden die Arbeitnehmervertreter sowie die IG Metall die Bieter genau unter die Lupe nehmen und deren Bonität prüfen. Der Betriebsratschef fordert eine Mitsprache bei der Auswahl der Investoren.

Zudem stehen in mehreren Werken Verhandlungen mit dem Management über Kostensenkungen auf dem Plan. Im vergangenen Jahr sind bereits etliche Vereinbarungen für Nutzfahrzeugwerke, aber auch für das größte Pkw-Montagewerk in Sindelfingen abgeschlossen worden. Nun geht es um die Werke Untertürkheim, Rastatt, Bremen, Hamburg und Berlin. Die Gespräche befinden sich jedoch noch in einer frühen Phase oder haben noch gar nicht begonnen. Mercedes-Produktionschef Markus Schäfer hatte im vergangenen Jahr angekündigt, dass die laufenden Kosten in den Werken jedes Jahr um fünf bis sechs Prozent gesenkt werden sollen.

Dazu soll auch die Fertigungstiefe überprüft werden. Das heißt: Es wird geprüft, was selbst gemacht oder preiswerter von Lieferanten bezogen werden soll. So gibt es laut Gesamtbetriebsratschef Brecht sehr kontroverse Diskussionen darüber, ob die Logistik, also etwa die Versorgung der Produktionsbänder mit Teilen, von eigenen Mitarbeitern oder von externen Dienstleistern erledigt wird. Trotz einiger Streitpunkte spricht Brecht insgesamt von einem guten Dialog zwischen Management und Betriebsrat an den Standorten.

Anders als etwa in Düsseldorf, wo im vergangenen Jahr eine Vereinbarung abgeschlossen wurde, die mit einem deutlichen Stellenabbau verbunden ist, weil der Transporter Sprinter künftig auch in Nordamerika produziert werden soll und eine Auftragsfertigung für VW ausläuft, geht es nun darum, wie Wachstumspläne umgesetzt werden. So soll etwa die Pkw-Montage in Bremen und Rastatt deutlich ausgeweitet werden. In Untertürkheim sollen mehr Motoren und Automatikgetriebe gefertigt werden, wie der Betriebsrat in einem Informationsblatt für die Mitarbeiter berichtet. Um dafür Platz zu schaffen, soll jedoch die Fertigung anderer Aggregate und Bauteile verlagert werden. Der Betriebsrat verlangt eine Absicherung der Beschäftigten sowie eine klare Aussage, welche Rolle Untertürkheim künftig im weltweiten Produktionsnetzwerk spielen soll. Zudem sollen auch alternative Antriebe an diesem Standort hergestellt werden.