Trotz der großen Razzia hierzulande muss sich Daimler mehr Sorgen um das Vorgehen der Behörden in den USA machen, kommentiert StZ-Autor Michael Heller.

Stuttgart - Die Razzia dürfte bei Daimler keine große Überraschung ausgelöst haben. So ist im Zwischenbericht vom 26. April nachzulesen, dass bei Daimler wegen des Streitfalls Dieselemissionen Hausdurchsuchungen stattfinden könnten. Sollte es in den Büros des Autobauers tatsächlich Unterlagen gegeben haben, die einen Betrugsverdacht erhärten würden, so hätten die Beteiligten reichlich Zeit gehabt, das Material beiseite zu schaffen. Nun gibt es zwar keinerlei Hinweis auf solch eine Aktion, aber es stellt sich schon die Frage, warum die Ermittler erst jetzt auf die Idee gekommen sind, dem Unternehmen einen Besuch abzustatten – und dies auch noch in einer so beeindruckenden personellen Stärke.

 

Fiat-Chrysler will 100 000 Autos umrüsten

Natürlich liegt es nahe, dass der Grund hierfür neue Erkenntnisse sind, von denen die Öffentlichkeit bisher noch nichts erfahren hat. Da werden sich alle Beteiligten in Geduld üben müssen. Noch hat Daimler aber von Kraftfahrt-Bundesamt und Bundesverkehrsministerium das Testat, nicht gegen Gesetze verstoßen zu haben. Die größere Gefahr droht dem Konzern wohl aus den USA. Dort ist nach VW zu Jahresbeginn Fiat Chrysler ins Visier der Umweltbehörden geraten. Sollte der amerikanisch-italienische Konzern ein Gerät zur Steuerung der Abgasreinigung eingebaut haben, das in den USA als unzulässige Abschalteeinrichtung eingestuft wird, dann dürfte es auch für Daimler eng werden. Denn die Stuttgarter verwenden eine ähnliche Technik. Fiat-Chrysler will nun freiwillig 100 000 Fahrzeuge umrüsten, um möglichen Klagen zu entgehen. In Stuttgart muss das Management Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne die Daumen drücken, dass dieser Plan funktioniert.

Das Abgasthema zeigt, dass die Standards in der Autobranche dringend stärker vereinheitlicht werden müssten. Eigentlich. Denn daran zu glauben, wäre naiv. Schuld daran hat nicht nur die Politik, die sich immer stärker national orientiert, sondern auch die Autobranche mit ihren teilweise fragwürdigen Praktiken.