Anders als die Erzrivalen Audi und BMW legt Mercedes in China kräftig zu, obwohl der Markt schwächer wächst.

Stuttgart - Obwohl sich die Perspektiven auf dem chinesischen Automarkt deutlich eingetrübt haben, zeigt sich Daimler-Chef Dieter Zetsche optimistisch für die weitere Geschäftsentwicklung im roten Riesenreich. „Auch in China hat Mercedes-Benz allen Grund zur Zuversicht“, sagte Zetsche in einer Telefonkonferenz bei der Vorlage der Daimler-Halbjahreszahlen.

 

Der Verband der chinesischen Autohersteller hat vor Kurzem seine Vorhersage für das Absatzwachstum in diesem Jahr von sieben auf drei Prozent gesenkt. Audi und BMW, die wichtigsten Wettbewerber der Stuttgarter, haben die Abkühlung des Konjunkturklimas zuletzt deutlich zu spüren bekommen. Bei Audi ging der Absatz im Juni um fast sechs Prozent zurück. Auch BMW verzeichnete ein leichtes Minus in China, das in den vergangenen Jahren nach einem stürmischem Wachstum zum größten Automarkt der Welt aufgestiegen ist. Anders als die beiden Wettbewerber legte Mercedes-Benz Cars im Juni kräftig um rund 38 Prozent zu.

Der Daimler-Chef betonte am Donnerstag, dass Mercedes-Benz in diesem Jahr wie geplant deutlich mehr als 300 000 Autos in China verkaufen werde. In den ersten sechs Monaten waren es rund 165 300 – ein Plus von fast 22 Prozent. Obwohl die Stuttgarter massiv beschleunigen, liegen sie indes immer noch deutlich hinter den beiden Erzrivalen. Audi will in diesem Jahr doppelt so viele Wagen verkaufen wie Mercedes-Benz, BMW rechnet nach Angaben einer Unternehmenssprecherin für 2015 mit einem einstelligen prozentualen Plus, nachdem der Absatz bis Juni um 2,5 Prozent auf rund 230 600 Autos zulegte.

Bei Audi und BMW zeigt man sich indes nicht beunruhigt von der jüngsten Abschwächung. Bei Audi räumt man zwar eine deutlich spürbare Kaufzurückhaltung ein, sieht aber insgesamt eine Normalisierung des Marktes, die nicht überraschend gekommen sei. Es sei klar gewesen, dass sich die hohen zweistelligen Wachstumsraten nicht endlos fortsetzen lassen, so ein Unternehmenssprecher. Eine BMW-Sprecherin hebt hervor, dass im Juni dort ganze 38 Autos weniger als im Vorjahr verkauft worden seien. Damit habe man das Niveau praktisch gehalten.

Mehr Schwung erwarten die Münchner von Modellwechseln – etwa beim Flaggschiff, dem 7er, dem aufgefrischten 3er sowie bei der neuen Generation des kompakten Geländewagens X1. Bei Audi weist man darauf hin, dass der Modellwechsel beim A6 in Europa zwar schon stattgefunden habe, in China jedoch noch bevorstehe. Der Audi A6 sei dort das meistverkaufte Modell.

Mercedes-Benz erntet derzeit die Früchte der vor einigen Jahren eingeleiteten Korrektur der China-Strategie. Daimler hat ein eigenes Vorstandsressort für China geschaffen, aus zwei zerstrittenen Vertriebsorganisationen eine gemacht, das Händlernetz ausgeweitet und die Fertigung in Peking deutlich aufgestockt. Im April ist dort zusätzlich die Produktion des kompakten Geländewagens Mercedes-Benz GLA angelaufen, der als wichtiger Wachstumstreiber gilt.

Obwohl sich das Wachstum des chinesischen Marktes abschwächt, sieht Ferdinand Dudenhöffer, der Chef des Forschungsinstituts CAR in Duisburg, dort in den kommenden Jahren insgesamt gute Aussichten (siehe Grafik), weil die Pkw-Dichte dort insgesamt deutlich niedriger ist als etwa in Deutschland. Der Wissenschaftler rechnet damit, dass bis 2030 fast jeder dritte aller weltweit verkauften Personenwagen an chinesische Kunden geht.

Allerdings rechnet er damit, dass sich das Wachstum des Premiummarkts verlangsamen wird, weil der nächste Nachfrageschub nicht aus Megacities im Osten wie Peking oder Shanghai kommen werde, wo vergleichsweise gut verdient wird, sondern eher aus ländlichen Gebieten, denn in Peking beispielsweise sei die Sättigung nicht mehr fern. Dort kämen 345 Autos auf 1000 Einwohner, die Pkw-Dichte sei vergleichbar mit Berlin.

Weil in den ländlicheren Regionen die Einkommen niedriger seien, so Dudenhöffer, profitierten die Massenhersteller in den nächsten Jahren stärker vom Wachstum als die Premiumhersteller. „Der Preiskampf im Premiumsektor wird sich in den nächsten Jahren in China eher verstärken“, sagt Dudenhöffer. Die Nobelmarken könnten dort nicht mehr mit solch dicken Gewinnen wie bisher rechnen. Zudem müssten sich die Autobauer darauf einstellen, dass es wie in den Industrienationen größere konjunkturelle Schwankungen in China geben werde.