Thomas Rau aus Weinstadt war ein mäßig motivierter Schüler. Doch am Abendgymnasium Unteres Remstal hat er Spaß am Lernen entdeckt. Sein nächstes Ziel: das Abitur, um dann selbst Lehrer zu werden.
Weinstadt - Fast könnte man ein bisschen neidisch werden, wenn Thomas Rau von seiner Schule, dem Abendgymnasium Unteres Remstal in Weinstadt, erzählt. „Das ist die beste Entscheidung, die ich seit langem gefasst habe“, sagt der 24-Jährige über seine zweite Schulkarriere, die er gerade zur Hälfte hinter sich hat, und bei der er auf tatkräftige Unterstützung zählen kann. „Die Studierenden stehen zu 100 Prozent im Mittelpunkt und die Lehrer bringen viel von sich ein und sind motiviert. Das ist toll und zieht einen mit.“ Ein Kollegium aus Überzeugungstätern also.
Thomas Raus nächstes Ziel ist das Abi, das er im Sommer 2019 ablegen will. Dafür drückt der Endersbacher – mit Ausnahme der Schulferien – Woche für Woche montags bis donnerstags jeden Abend von 17 bis 21.30 Uhr die Schulbank im Abendgymnasium, das seinen Sitz im Neubau des Remstalgymnasiums hat. Tagsüber arbeitet er in Teilzeit in seinem Job als Gesundheits- und Krankenpfleger im Schorndorfer Krankenhaus. Erst arbeiten, dann pauken – das klingt eigentlich ziemlich anstrengend. Thomas Rau sieht das anders: „Wenn ich aus dem Krankenhaus komme, ist das hier in der Schule Entspannung.“
Schule statt Sackgasse
Vor sieben Jahren hat Rau seine Mittlere-Reife-Prüfung abgelegt – an der Reinhold-Nägele-Realschule in Weinstadt-Endersbach, die auf dem gleichen Areal wie das Abendgymnasium steht. Damals sei er ganz froh gewesen, dass die Schulzeit vorbei war, sagt er. Auf den Schulabschluss folgte ein Jahr Berufskolleg, dann die Ausbildung zur Pflegekraft. Danach wollte Thomas Rau eigentlich beim Sanitätsdienst der Bundeswehr anheuern. „Dort wurde mir aber verklickert, dass ich ohne Abitur nicht weiter kommen werde.“ Der junge Mann war deprimiert, weil er sich in einer Sackgasse fühlte – und beschloss: „Dann hol’ ich mir halt das Abi.“
Das Abendgymnasium, das seit 2002 im Bildungszentrum Weinstadt ansässig ist, war ihm ein Begriff, denn das Schulgelände kennt er wie seine Westentasche. „Ich war hier auf der Schule, wohne nebenan und meine Mutter arbeitet im Schulzentrum als Hausmeisterin.“ Für viele andere sei das Abendgymnasium aber leider noch immer ein Insidertipp, erzählt Rau bedauernd. Weshalb er kräftig Werbung für die Bildungseinrichtung macht. „Eine Freundin habe ich schon mit hierher geschleppt.“
Ein toller Schüler sei er nie gewesen, sagt Thomas Rau im Rückblick: „Aber das hat sich hier am Abendgymnasium schlagartig geändert.“ Sein ehemaliges „Hass-Fach“ Englisch macht ihm nun richtig Spaß. Früher habe er mit Ach und Krach eine Drei geschafft, berichtet Rau – jetzt stehe an dieser Stelle die Note 1 in seinem Zeugnis. Dafür gebe es mehrere Gründe, sagt der 24-Jährige: „Man muss sich wegen nichts schämen. Notfalls erklären die Lehrer auch fünf Mal hintereinander das Gleiche.“ Und die Klassengröße – meist nur fünf bis sieben Schülerinnen und Schüler – sorge für eine familiäre Atmosphäre.
Eine Chance, Dinge von Grund auf zu verstehen
Die Klassenkameraden kommen aus dem Remstal oder aus Stuttgart angereist. Manche haben ein Handwerk gelernt, andere sind Sachbearbeiter oder arbeiten als Bedienung. „Wir haben noch mal mit den Basics angefangen. So hat man die Chance, Dinge von Grund auf zu verstehen.“
Wenn alles glatt läuft, hat Thomas Rau in zwei Jahren das Abi in der Tasche. Die Bundeswehr wird er dann wohl links liegen lassen. Sein neuer Berufswunsch: „Ich will auf Lehramt studieren.“ Ein weiterer Überzeugungstäter in Sachen Bildung.
Neue Bildungshorizonte
Geschichte
Das Abendgymnasium Unteres Remstal in Weinstadt ist 2002 als Zweigniederlassung des Stuttgarter Abendgymnasiums entstanden und seit 2009 selbstständig. Dort kann man die Mittlere Reife, die Fachhochschulreife und das Abitur ablegen. Angeboten werden Abendklassen unter der Woche und alternativ der Wochenendzug, bei dem freitagabends und samstags unterrichtet wird. Es gibt noch freie Plätze in allen Klassen.
Voraussetzungen
Abendschüler müssen das 18. Lebensjahr vollendet und eine Berufsausbildung haben oder zwei Jahre berufstätig gewesen sein. Zudem müssen sie einen Hauptschulabschluss vorweisen können oder eine Realschule oder ein Gymnasium besucht haben.
Anmeldung
Pro Halbjahr kostet das Abendgymnasium 150 Euro, wenn man in mehreren Raten zahlen möchte, ist es unwesentlich teurer. Das Abendgymnasium bietet unverbindlich Beratungstermine an (01 62/798 44 39).