Die Verwaltung privater Vermögen war bislang ein Privileg für Millionäre. Computer-Algorithmen ändern das gerade. Experten halten sie dem Menschen sogar für überlegen.

München - Sparer sind in der andauernden Niedrigzinsphase die Gekniffenen. Gute und günstige Hilfe in Finanzangelegenheiten ist aktuell besonders gefragt, was sogenannten Robo-Advisors erhöhte Aufmerksamkeit beschert. Das ist eine spezielle Form von Fintechs, also jungen Start-up-Unternehmen der Finanzbranche, die per Computer-Algorithmus online Vermögen verwalten.

 

„Wir wollen ein Finanzconcierge sein“, sagt Erik Podzuweit. Er ist Mitgründer und Mitgesellschafter des hierzulande größten Online-Vermögensverwalters Scalable Capital in München. 130 Millionen Euro Anlagegelder verwaltet das seit 2014 existierende Unternehmen. Gemessen an traditionellen Banken und Versicherungen ist das ein Klacks – noch. Jede Woche kommen knapp sechs Millionen Euro Anlagevolumen dazu, sagt Florian Prucker, ein weiterer Vertreter des Gründerquartetts. Drei von ihnen sind Ex-Investmentbanker, der Vierte im Bunde ein auf Risikomanagement spezialisierter Uniprofessor.

Verbraucherschützer sind aufgeschlossen

Die Kundenzahl wächst, weil Scalable etwas bietet, das sonst nur Vermögenden vorbehalten ist. „In der klassischen Vermögensverwaltung geht es ab einer Million Euro Anlagesumme los“, erklärt Podzuweit. Scalable verlangt 10 000 Euro Mindestanlage und ist mit einer Gebühren-Flatrate von rund einem Prozent relativ preisgünstig. Klassische Vermögensverwalter wie Banken kommen inklusive Ausgabeaufschlägen und verdeckten Gebühren leicht auf das Doppelte.

Verbraucherschützer können Robo-Advisors einiges abgewinnen, weil sie in der Regel Angebote gestreut über Branchen, Währungen und verschiedene Anlageklassen hinweg haben und somit ein niedriges Risikoprofil bieten. „Breite Diversifizierung ist der Schlüssel zum Erfolg“, betont Nils Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Computer-Algorithmen könnten die historischen Erfahrungen der Kapitalmärkte nutzen wie kaum ein Mensch. Letztere seien oft befangen und provisionsgetrieben, wenn sie im Dienst einer Bank stehen.

Auch Computer tun sich schwer, eine Risikoklasse herauszufinden

„Die Psyche ist ausgeschaltet und das ist gut“, sagt Nauhauser zur softwaregestützten Vermögensverwaltung. Hauptproblem bleibe allerdings, das für einen Kunden individuell ideale Risiko herauszufinden. „Das ist knifflig“, sagt der Verbraucherschützer. Er ist aber zuversichtlich, dass auch das einem Algorithmus besser gelingt als einem Experten aus Fleisch und Blut.

„Kein Banker kauft seine eigenen Fonds“, sagt Ex-Investmentbanker Podzuweit. Zu Bedenken gibt er auch, dass Banker mit rund einem Fünftel bei Scalable die größte Kundengruppe stellen. Eine Software reagiere eben nie emotional und sei nicht für Herdentrieb anfällig.

Der Algorithmus schichtet selbstständig um

Das individuelle Risiko eines Neukunden legt Scalable per Online-Fragekatalog fest. Anlageziel und Vermögensstatus, Einkommen und Ausgaben werden dort ebenso abgefragt wie Erfahrung mit Geldanlagen. Der Algorithmus sortiert einen Anleger dann in eine von 23 Risikokategorien ein und schichtet ein Portfolio selbstständig um, sobald sich die Risikolage an den Kapitalmärkten ändert.

2016 habe gezeigt, dass der Scalable-Algorithmus auch in turbulenten Zeiten funktioniert, sagen Podzuweit und Prucker. „Zinswende in den USA, Brexit, Trump-Wahl“, zählen die beiden auf. Der Dax sei voriges Jahr zeitweise 18 Prozent im Minus gewesen, die Scalable-Portfolien dagegen nur mit maximal vier bis fünf Prozent. Am Jahresende stand je nach Scalable-Risikokategorie ein plus zwischen zwei und acht Prozent. Das ist nicht exorbitant, aber die wahre Kunst bestehe darin, über Jahre hinweg im Mittel gute Renditen zu erwirtschaften, sagt Prucker und traut das dem eigenen Algorithmus zu.

Siemens ist Kooperationspartner

Auch einen Weltkonzern wie Siemens hat das Konzept überzeugt. „Wir haben den Markt analysiert und uns für Scalable Capital als Partner entschieden“, sagt Alexander Mahnke, Chef der Siemens-internen Versicherungssparte. Heimische Siemensianer und deren Angehörige können ab sofort ihre Vermögen online bei Scalable verwalten lassen. Das Geld sei bei dem von der deutschen Finanzaufsicht Bafin regulierten Finanzdienstleister so sicher wie bei anderen deutschen Banken, betont Siemens.

Die Riskomanagement-Technologie von Scalable habe mit dem Brexit ihren Lackmustest bestanden und rechtzeitig verlustmindernd umgeschichtet, lobt Mahnke. Inklusive Angehörigen eröffnet sich Scalable damit ein potenzieller Kundenkreis von rund 250 000 Siemensianern. Das könnte einen Quantensprung auslösen angesichts der aktuellen Scalable Kundenzahl von 3100 Anlegern.

Nach diesem Ritterschlag mit Signalwirkung stehen nun neue Interessenten vor der Tür, und Scalable hofft auf weitere Partnerschaften noch 2017. Mittelfristig, binnen drei bis fünf Jahren, will der Robo-Advisor die Anlagemarke von einer Milliarde Euro knacken. In den USA haben das erste Vertreter der neuen Zunft bereits geschafft. Das macht auch Scalable Mut.

Über Scalable

Die Bedeutung von Fintechs lässt sich am stark steigenden Investment ablesen, das sie anziehen. Nach einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Roland Berger sind in diese Art von Start-ups 2015 global rund 19 Milliarden Dollar geflossen, fast 60 Prozent mehr als im Jahr davor. Bis zu 25 Milliarden Dollar könnten es 2016 gewesen sein, schätzen die Roland Berger-Experten.

Größter Online-Vermögensverwalter hierzulande ist das Münchner Start-up Scalable Capital. 2014 wurde es von den früheren Goldman Sachs-Bankern Erik Podzuweit (35), Florian Prucker (34), Adam French (31) sowie Finanzprofessor Stefan Mittnik (62) gegründet. Letzterer steuerte den selbstlernenden Computer-Algorithmus bei, der Anlagerisiken softwaregestützt managt.

Scalable investiert ausschließlich in sogenannte ETFs (Exchange Traded Funds). Das sind börsengehandelte Index-Fonds, die ein Marktsegment nachbilden und so das Risiko relativ niedrig halten. Beispiele dafür sind der S&P 500 oder der Stoxx 600. Basis eines ETF können Aktien, Anleihen, Rohstoffe oder auch Immobilien sein. www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.digitalisierung-im-bankensektor-deutsche-banken-hinken-hinterher.eca8edc6-da77-4028-bfa9-4ff5e8698132.html www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.ezb-bleibt-auf-kurs-weiter-null-prozent-zinsen.f3e830c6-95f2-458e-a14f-9cde03877f5c.html