Seit je sind dem Wilderer Schuhe Verräter. Um keine Spuren zu hinterlassen, trägt er Socken im Bergwald oder streut Pfeffer unter das Leder, damit ihn kein Hund erschnüffelt. Schuhlos wildert sich’s aber besser; denn am Profil erkennt noch der dümmste Forstgehilfe den Träger, und wo nichts ist, kann man auch niemandem was in die Schuhe schieben. Ertappt, macht mancher Wilderer aus seiner Meucheltat einen Zufallsfund und plädiert mit Unschuldsmiene auf Irrtum – eine Keckheit, die Peer Steinbrück seiner SPD nicht angeraten haben will: „Wenn das so ist, Herr Förster, lege ich das Reh wieder auf die Lichtung zurück.“

 
„Der Winter, wenn Schnee lag“, vermerkt Roland Gürtlers fesselnde Geschichte der Jagdfrevelei, „war daher grundsätzlich für den Wilderer eine Zeit, in der man das Wildern lieber ließ, denn nur allzu leicht konnte man die Spuren des Wildschützen aufnehmen und ihn schließlich auch identifizieren. . . Auch der Trick, durch das Anbringen von verkehrten Sohlen auf den Schuhen eine andere Gehrichtung vorzutäuschen, dürfte eine lange Tradition haben. Gendarmerieinspektor Fuchs meint dazu ergänzend, dass manche Wilderer, die mit solchen ,verkehrten’ Schuhen wildern gingen, sich sogar bemüht hätten, das entsprechende Schreiten - mit den Fußspitzen einwärts – einzuhalten.“

Ein verehrter Weiberheld

Auch der Tegernseer Bursch, von dem wir hier reden, stand gelegentlich mit Trickschustern im Bund; denn die Finten, wie man die Jäger täuscht, beherrschte er sämtlich. Der geschnauzte Kerl mit der kecken Spielhahnfeder auf dem Hüatl war im Grund ein arbeitsscheuer Weiberheld, ein Aufschneider, lebend von nichts als von Wilddieberei; aber verehrt wird er noch heute, wie als wär’ er ein dunklerer Brunder vom König Ludwig, ein Freiheitsheld, ein Idol. Und warum? Weil er sie jahrelang äußerst erfolgreich genarrt hat, alle die Förster, Jagdgehilfen, Gendarmen zwischen Schliersee, Tegernsee und Kreuth – Revieren, wohinein auch fremde Raubkumpane drängten, nachts aus dem Isartal und bandenstark aus Tirol, jederzeit schussbereit. Denn immer galt: der G’schwindere bleibt der G’sündere.

Indes, bei seinem ungesunden Ende hatte er nicht die geringste Chance. Hinterrücks hat ihn ein Jagdgehilfe erschossen, Pföderl, der Finsterling, getrieben von Hass und Eifersucht, weil ihm der Andere wieder und wieder die Sennerin ausgespannt hat. Droben auf dem Peißenerg auf einem Felsvorsprung im Schwarzenholzeck ist es passiert. Da saß der Wilderer brotzeitend auf einem Baumstumpf, den Kittel abgetan, die Schuhe aufgeschnürt – Stunden später fanden Schlierseer Burschen den Toten: „Die Leiche bot einen entsetzlichen Anblick. Der rechte Fuß war unbekleidet, Schuh und Strümpfe waren ausgezogen und lagen daneben. Die große Zehe war in den Abzugsbügel des Gewehrs geklemmt, dessen Lauf auf das Gesicht gerichtet war ... Der Unterkiefer war zerschmettert.“ Dieses suizidale Arrangement stammte von Pföderl, der dafür büßen musste, und wie es entdeckt war, wurde der Wilderer mit den ausgezogenen Schuhen nur desto unsterblicher.