Mit 67 Jahren ist das Grundgesetz eigentlich reif für die Rente. Danach sieht es nicht aus. Die Bedeutung der deutschen Verfassung könnte in den nächsten Jahren sogar noch wachsen.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - Es ist ein ziemlich unrunder Geburtstag, und deswegen sind die Feierlichkeiten vergleichsweise bescheiden. 750 Kommunalpolitiker dürfen im Laufe des Tages mit dem Bundespräsidenten diskutieren, das Grundgesetz wird dabei mehr als nur eine lobende Erwähnung finden. Gemessen an dem, was die deutsche Verfassung in den letzten 67 Jahren geleistet hat ist das eine doch eher zurückhaltende Art der Huldigung.

 

Ein Provisorium mit Bestandskraft

Als das Grundgesetz am 23 Mai 1949 um 17 Uhr verkündet wurde, da war es nur als Provisorium gedacht. Nach der Wiedervereinigung sollte eine gesamtdeutsche Verfassung entstehen. Die Wiedervereinigung dauerte deutlich länger als damals erhofft. Als es gut 40 Jahre nach der Verkündung des Grundgesetzes so weit war, da war man mit dem Verfassungsprovisorium so zufrieden, dass man es für Gesamtdeutschland übernahm. Unumstritten war das nicht, so wie das Regelwerk selbst nicht unumstritten war. Im Parlamentarischen Rat, der das Grundgesetz in neun monatiger Arbeit ersonnen hatte, stimmten zwölf der 65 Mitglieder gegen den Entwurf. Den Erfolg vermochte das nicht zu verhindern.

Das Grundgesetz lebt. Rund 60 mal ist es seit seinem Bestehen modifiziert worden, mehr als 100 Artikel wurden geändert, neu hinzugefügt oder aufgehoben. Wobei diese Zahl nur die Änderungen beschreibt, bei denen der Wortlaut des Grundgesetzes aktiv verändert worden ist. Mindestens von ebenso großer Bedeutung ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Die Karlsruher Richter füllen das Grundgesetz mit Leben – ganz egal ob es um Betreuungsgeld geht oder um NPD-verbot, um Sex mit Tieren oder den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern.

In drei Jahren wird groß gefeiert werden

Gemäß der deutschen Ruhestandsregelungen wäre das Grundgesetz reif für die Rente. Das steht nicht zur Debatte. Im Gegenteil: In Zeiten von unklaren Mehrheitsverhältnissen im politischen Leben, von erstarkenden Parteien am Rande dessen, was bisher als Konsens verstanden wurde, ist das Grundgesetz auch in Zukunft gefordert. Spätestens in drei Jahren, wenn der 70. Geburtstag bevorsteht, werden mit Sicherheit auch die Feierlichkeiten wieder ein Stück weit sichtbarer. So wie beim 60. Geburtstag 2009. Umfragen haben damals ergeben, dass 77 Prozent der Menschen im Westen und 65 Prozent im Osten sagen: „Ich bin stolz auf das Grundgesetz“. Daran dürfte sich nicht viel geändert haben.