Das markante kleine Häuschen hat früher dem Stuttgarter Brandschutz gedient. Heute wohnt eine Familie darin.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Ost - Nur über die Hillerstaffel ist das kleine Kanonenhäuschen zu erreichen. Eine richtige eigene Adresse hat es nicht. Eingewachsen zwischen Bäumen und Sträuchern ist es von weitem auch kaum zu entdecken. Nur der Schornstein ragt heraus.

 

Das Gebäude befindet sich auf der Gänsheide, Stuttgarts Nobelviertel. In diese elegante Umgebung will das kleine Kanonenhäuschen nicht so recht passen. Es erinnert an ein Hexenhäuschen und ist viel kleiner als die Nachbargebäude. Doch seine Geschichte ist weitaus spannender als die vieler Villen. Es gilt als das älteste Haus in dem Stadtteil. Und das Backsteingebäude hatte einst eine wichtige Funktion: Es diente als Unterkunft für die Brandwächter.

Heute heißt der Kanonenweg Haußmannstraße

Früher war sogar ein Weg auf der Gänsheide, der Kanonenweg, nach dem Haus benannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging der Name allerdings wieder verloren, die Straße hieß von diesem Zeitpunkt an Haußmannstraße. Ein Brand in Esslingen um 1702 war der Anlass für den Bau des Kanonenhäusles gewesen. 200 Häuser fielen dem Feuer zum Opfer, was für die Stadt Grund genug war, das Feuerschutzwesen zu verbessern. Im selben Jahr ließ die Stadt deshalb auf der Gänsheide eine Hochwacht erbauen, in der zwei „Lärmkanonen“ untergebracht waren“, die im Brandfall von der Wachperson abgefeuert werden sollten, um „die Nachbarschaft von der obhabenden Gefahr“ zu benachrichtigen. So ist es in der Feuerordnung von 1703 festgelegt. Wegen der Lärmkanonen bekam die Hochwacht den Namen „Kanonenhäuschen“. Viele nannten es auch Lermenhäusle, später auch Stuckhäusle. Heute steht es noch immer am oberen Ende der Hillerstaffel.

Verein hat das Haus bewohnbar gemacht

Mehr als 200 Jahre lang waren die Wächter in dem kleinen Häuschen von dessen exponierter Lage aus Zeuge von allem, was in und um Stuttgart vor sich ging. Oft beraubten die Oberen der Stadt es seiner Funktion: Bei Festmahlen im Schloss oder Rathaus feuerte die feiernde Gesellschaft auch gerne Schüsse zur Belustigung ab, wie anlässlich des Namenstages von Herzog Karl Alexander oder dem Sieg bei Waterloo. Doch das war nicht das schlimmste Ereignis, das dem Kanonenhäuschen widerfuhr: Eines Morgens stand wohl die Doppeltüre des Toreingangs zum Häuschen offen und seine Kanone war verschwunden, berichtet Eugen Dolmetsch in „Stuttgarts vergangenen Tagen.“ In Rohracker wurde sie später wiedergefunden.Als das Kanonenhäuschen schon einige Jahre auf dem Buckel hatte, entschied der Stadtbaumeister Fritz um das Jahr 1863, es um ein Stockwerk zu erhöhen und eine Wohnung für die Oberfeldwächter zu errichten. Ungefähr 46 Brände zählten die Herren bis dahin. Kaum fünfzig Jahre später kam das Häuschen erneut in den Genuss einer Verschönerungsaktion und ein Mieter zog ein. Bis 1974 hüteten es verschiedene Mieter.

Plötzlich aber stand es leer, seine Existenz war bedroht. Der Verein zur Förderung und Erhaltung historischer Bauten sicherte schließlich sein Überleben. Das Gartenbauamt der Stadt Stuttgart übernahm die Instandsetzung der äußeren Bausubstanz, die Vereinsmitglieder werkelten in ihrer Freizeit im Inneren und machten das Haus bewohnbar. „Unser Verein hatte zu diesem Zeitpunkt Spendengelder übrig, die haben wir in die Renovierung gesteckt“, erzählt Frank Schweizer, der Vorsitzende des Vereins. Bewohner ist seit diesem Zeitpunkt Klaus Bossert. Als Student ist er eingezogen, heute wohnt er mit seiner Familie in dem Kanonenhäuschen, das eine Grundfläche von knapp 30 Quadratmetern hat.