Im Verkehrsministerium des Landes wird an einem Programm gearbeitet, das Grünbrücken und Wanderkorridore schafft. Darüber sollen Wildtiere sicher über Autobahnen und Bundesstraßen kommen.

Stuttgart - Zwölf in einem Jahr – dieses Ziel hat sich die Staatssekretärin im Verkehrsministerium, Gisela Splett (Grüne), für dieses Jahr gesetzt. Derzeit wird im Ministerium ein landesweites Konzept zur Wiedervernetzung von Lebensräumen an bestehenden Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen erarbeitet. Das Land stützt sich dabei auf ein 2012 vom Bundeskabinett beschlossenes Bundesprogramm „Wiedervernetzung“, das für jedes Bundesland Querungshilfen für Wildtiere vorsieht.

 

Zwölf solcher Grünbrücken oder Tunnel sind für Baden-Württemberg vorgesehen. Jeden Monat sucht Splett einen dieser neuralgischen Abschnitte auf, an denen mehrspurige Straßen mit hohem Verkehrsaufkommen unüberwindbare Barrieren sind für wandernde Wildtiere.

„Höchste Priorität“ habe eine solche Querungshilfe an der B 14 zwischen Herrenberg und Nufringen, sagte Splett bei ihrem ersten Ortstermin im Januar. Dort verlaufe ein Wildtierkorridor, über den Tiere zwischen dem Nordschwarzwald und dem Schönbuch wandern. Dieses Gebiet ist laut dem Projektbetreuer „Wildkatzensprung“ des BUND, Axel Wieland, insbesondere auch für die seltenen, in vereinzelten Gegenden von Baden-Württemberg inzwischen heimisch gewordenen Wildkatzen wichtig.

Barrierefreie Bewegungsräume

Siedlungen und Straßen zerschneiden Lebensräume und stellen für viele Wildtiere eine schier unüberwindliche Barriere dar. Das hohe Verkehrsaufkommen führt zu erheblichen Verlusten durch Wildunfälle – mehr als 20 300 hat die Wildforschungsstelle Aulendorf im vergangenen Jagdjahr dokumentiert, mit 17 654 toten Tieren liegen die Rehe weit vorne in der Statistik, gefolgt von 2549 Wildschweinen. Nicht mitgezählt sind Amphibien, Insekten und andere Kleintiere. Durch die zunehmenden abgeschnittenen „Insellagen“ findet der genetische Austausch der Tier- und Pflanzenarten nicht mehr hinreichend statt, letztlich ist die biologische Vielfalt in Gefahr, erläutert Splett.

Das Verkehrsministerium habe inzwischen die zwölf Querungshilfen aus dem Bundesprogramm bewertet und entschieden, in welcher Reihenfolge geplant und gebaut werden soll, so Splett. Gestützt habe man sich dabei auf den baden-württembergischen Generalwildwegeplan und den inzwischen vom Naturschutzministerium vorgelegten Plan für einen landesweiten Biotopverbund. Die Schaffung dieser „grünen Infrastruktur“, also eines Verbundsystems der Wanderkorridore und Hauptlebensräume von wild lebenden Tieren, war bereits im Koalitionsvertrag der grün-roten Landesregierung festgelegt worden. Splett bezeichnete diese als eine „Querschnittsaufgabe zur Sicherung der Artenvielfalt“. Das Verkehrministerium will das landesweite Wiedervernetzungsprogramm noch vor der Sommerpause vorlegen.

Es gibt kein eigenes Geld

Die Schwierigkeit: Es gibt keinen eigenen Finanzierungstopf für das Bundesprogramm. Die Mittel für die zwölf Querungshilfen müssen mitfinanziert werden über das Geld, das das Land vom Bund für den Bau von Bundesfernstraßen erhält. Grünbrücken oder Krötentunnel konkurrieren sozusagen mit dem dreistreifigen Ausbau von Bundesstraßen oder dem Ausbau von Verkehrsknoten.

Die vermutlich teuerste Maßnahme dürfte eine Grünbrücke über die sechsspurige A 8 östlich von Pforzheim bei Niefern-Öschelbronn werden. Veranschlagt sind etwa fünf Millionen Euro, sagt Splett, die im Februar dort vor Ort war. Das Regierungspräsidium Karlsruhe erstellt derzeit erste Planungen. Dort in den Wäldern östlich von Pforzheim und südlich von Niefern verlaufe ein auch für die Wildkatze wichtiger Wildtierkorridor, der deren Ausbreitung vom Naturpark Stromberg-Heuchelberg in den Nordschwarzwald befördern könnte.

Eine weitere Querungshilfe an der dreispurigen B 31 bei Titisee-Neustadt ist laut Splett, die sich das im März angesehen hat, wichtig für Fernwanderungen. Dort könnten Wildtiere vom Südschwarzwald in den Mittleren Schwarzwald und dann über den Nordschwarzwald Richtung Odenwald gelangen. Grünbrücken würden zumeist so angelegt, dass sie fernab von Wander- oder Forstwegen liegen. So solle sicher gestellt werden, dass sie nicht von Menschen mit benutzt würden.

25 Grün- und Landschaftsbrücken insgesamt gibt es bereits im Land, vielfach sind sie bereits eingeplant beim Neu- und Ausbau der Straße. Die Wiedervernetzung betrifft auch Kleintierdurchlässe, etwa für Amphibien. Derzeit mache der Nabu in einem Projekt des Verkehrsministeriums eine Bestandserhebung der „gefährlichsten Wanderrouten für Amphibien“, die letzte Ausgabe sei mehr als 20 Jahre alt, sagt der Nabu-Landeschef Andre Baumann.

Beispiel Biberach

„Straßen schaffen Barrieren“, erklärt Splett, „der Verursacher muss dafür sorgen, dass die Auswirkungen minimiert werden“. Das ist inzwischen auch in der Rechtssprechung angekommen. Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hatte etwa Ende 2013 den A 20-Ausbau bei Bad Segeberg gestoppt – weil der Schutz eines großen Fledermausbestandes nicht hinreichend berücksichtig worden war. Den Schutz der Fledermäuse hatte man bei Biberach ernst genommen, sonst hätte die Nordwestumfahrung nicht gebaut werden dürfen, sagt der Sprecher des Landratsamtes, Bernd Schwarzendorfer. Das hatte nach der Kritik des Bundes der Steuerzahler aber keiner hören wollen. „Wir standen als Deppen der Nation am Pranger.“ Für 400 000 Euro hatte der Kreis zwei Brücken für Fledermäuse gebaut, für geschützte Arten, die entlang von Waldrändern und Hecken nahe am Boden fliegen, und bei Straßenquerungen auf Fahrzeughöhe sind. Tatsächlich werden die Brücken angenommen, wie das Monitoring zeige – zehn bis 30 Überflüge pro Nacht werden gezählt. Und inzwischen interessierten sich laut dem Sprecher Straßenplaner aus anderen Bundesländer für diese kostengünstige Querungshilfe.