Im Nähwerk Waiblingen, einem von Ehrenamtlichen betreuten Projekt, lernen geflüchtete Frauen wie man schneidert, flickt – und Deutsch spricht.

Waiblingen - Die blütenweiße Küchenschürze mit Hohlsaumstickerei ist ein Schmuckstück. Man muss schon genau hinschauen, um zu erkennen, dass sie früher als Bezug für ein Paradekissen diente. Auch der dunkelblaue Fingerring mit dem silbernen Herzchen hat ein Vorleben: Er war einst als Gürtelschlaufe an einer Jeanshose im Einsatz. Aus letzterer lässt sich mit dem entsprechenden Geschick und einer Portion Kreativität noch manches andere schneidern, vom Schlüsselanhänger bis zur Umhängetasche.

 

Ausgemusterte Bettbezüge und Vorhänge, abgelegte Jeans und Stoffreste aller Art – im Nähwerk Waiblingen entstehen aus dem, wofür der eine keine Verwendung mehr hat, hübsche und praktische Dinge, die der andere gut gebrauchen kann. Obendrein hilft das Projekt geflüchteten Frauen, sich selbst zu helfen und nebenbei besser Deutsch zu lernen.

Der Andrang ist groß: es gibt eine Warteliste

Seit dem Frühjahr rattern im Waiblinger Marienheim, einem ehemaligen Seniorenstift, das nun als Gemeinschaftsunterkunft insbesondere für geflüchtete Familien dient, immer mittwochs die Nähmaschinen. An der Zimmerwand sind, feinsäuberlich laminiert, Zeichnungen befestigt. „Schere“ steht unter dem Bild des Schneiderutensils, daneben hängen Abbildungen eines Bügelbretts, einer Spule und einer Stecknadel.

Mindestens acht Frauen seien immer im Nähwerk Waiblingen zu Gange, manchmal quetschten sich sogar zwölf Näherinnen in das Zimmer, erzählt Heide Pfander, die das Projekt gemeinsam mit Sigrid Wössner betreut. Es gebe sogar eine Warteliste von Frauen, die gerne mitnähen würden – aber leider keinen größeren Raum. Auch diejenigen, die zum festen Teilnehmerstamm gehören, seien sehr motiviert: „Die Frauen stehen meistens schon eine Viertelstunde vor Beginn da.“

Kein Wunder, schließlich ist das Nähwerk eine Möglichkeit, mal aus den engen vier Wänden zu kommen, einer Beschäftigung nachzugehen und ein wenig zu plaudern und sich abzulenken. Das schätzt auch die 35-jährige Ramia an den Treffen. Die Juristin ist vor einigen Monaten mit ihrer damals knapp einjährigen Tochter aus Syrien geflüchtet, ihr kleiner Sohn und ihr Mann leben noch in Aleppo. Ramia sitzt an einer der Nähmaschinen und gibt Gas. Die Nadel stichelt sich durch ein mit schwarzen und pinkfarbenen Streifen bedrucktes Stück Stoff. „Das wird ein Bezug für eine Bettdecke“, sagt die Frau aus Syrien, die inständig hofft, dass der Rest ihrer Familie bald nachkommen darf.

Repair-Café unterstützt das Nähwerk Waiblingen

Plötzlich gibt die Nähmaschine von Ramias Nachbarin ein lautes, tuckerndes Geräusch von sich. „Wie klingt denn das?“, fragt Sigrid Wössner, die junge Frau an der Maschine hebt die Schultern und kichert. Ein Glück, dass André Simons vom Waiblinger Repair-Café gerade zu Besuch ist. Er setzt sich an die Maschine, schaut genau, fuhrwerkt hier und da – und siehe da, das Tuckern ist weg. Der Ingenieur im Ruhestand sei „der gute Geist des Repair Cafés“, sagt Heide Pfander, die regelmäßig vor dem Problem steht, dass eine Nähmaschine nicht mehr das tut, was sie soll. Früher hat ihr Mann die Maschinen repariert, nach dessen Tod hatte sie einige Zeit keine Anlaufstelle mehr. Nun sind zum Glück André Simons und Klaus Ziegler vom Repair-Café zur Stelle. Manchmal verursache eine Kleinigkeit, etwa eine falsche Einstellung, Schwierigkeiten, sagt Simons, manchmal sei es etwas Schwerwiegenderes. Sein letzter Fall? „Ein kaputter Keilriemen.“