Ministerpräsident Winfried Kretschmann zieht mit seinem Stab bis 2015 ins benachbarte Clay-Haus – denn die Villa Reitzenstein wird saniert, in den Garten kommt ein Neubau. Schon vom Spätsommer an soll der Park der Villa am Wochenende für alle offen stehen.

Stuttgart - Vom kommenden Montag an muss der Ministerpräsident kleinere Brötchen backen, zumindest vorübergehend: Das Staatsministerium mit seinen 234 Mitarbeitern zieht von der prächtigen Villa Reitzenstein auf der Gänsheide für zwei Jahre in das direkt angrenzende Clay-Haus, das allerdings auch kaum als bescheidenes Reihenhäuschen bezeichnet werden kann. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) muss sich dennoch mit einem kleinen Büro samt blauem Teppich von der Stange begnügen, das kaum ein Drittel so groß ist wie das derzeitige. Immerhin ist der Blick hinunter in die Stadt prächtig. Sechs Bäume mit heimischem Obst hat Kretschmann schon pflanzen lassen, um sich schneller daheim zu fühlen.

 

Und dieser Umzug ist nur der Anfang von großen Veränderungen rund um die Villa Reitzenstein. Die Villa wird, während sie leer steht, einer grundlegenden Sanierung unterzogen. Unterm Dach hatte man sogar Asbest gefunden. Vor allem aber will man das große Zweckgebäude aus den 1970er Jahren nebenan, das der Architekt und SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Conradi geplant hatte, abreißen und durch einen Neubau ersetzen.

Dieser wird nach den Plänen des Berliner Büros Sting Architekten von der Villa weggerückt und zu zwei Dritteln unter die Erde kommen, damit die Villa Reitzenstein wieder besser zur Geltung kommt. Zudem dient der Neubau dazu, alle Häuser auf dem Gelände inklusive des neu erworbenen Clay-Hauses unterirdisch zu verbinden. Kein Landesbeamter wird künftig mehr, wenn er in Dienstgeschäften von einem Haus zum anderen eilt, im Regen stehen.

Zwei Drittel des Neubaus befinden sich unter der Erde

Ilse Lange-Tiedje vom Landesbetrieb Vermögen und Bau, dem eigentlichen Bauherrn, sprach von einer „genialen Lösung“, um die großen benötigten Baumassen unterzubringen. Auf dem Gelände mit starken Höhenunterschieden wächst das neue Haus in Form eines „L“ langsam aus dem Boden und erreicht erst weit entfernt von der Villa seine größte Höhe mit zwei überirdischen Geschossen. Trotzdem haben alle Büros Tageslicht.

Daneben war es der grün-roten Landesregierung wichtig, dass das Gebäude einige ihrer Urthemen aufgreift, auch wenn schon in der Vorgängerregierung über erste Pläne nachgedacht worden war. Das bedeutet konkret: Das Haus soll ökologisch, bürgernah und kinderfreundlich werden. Der Neubau ist deshalb so konzipiert, dass er sogar mehr Energie erzeugt, als er selbst benötigt. Im Keller wird ein Blockheizkraftwerk stehen, auf den Dächern werden Fotovoltaikanlagen installiert. Die Abwärme der großen Technikzentrale verpufft künftig nicht mehr. Und selbst die langen Fluchtstollen, die die Nazis während des Kriegs unter der Villa angelegt hatten, erhalten eine neue Nutzung – die kühle Luft von dort wird geothermisch verwertet.

Daneben freut sich Klaus-Peter Murawski, der Chef der Staatskanzlei, schon darauf, dass der Rosengarten der Baronin von Reitzenstein wieder vervollständigt werden kann. Bis jetzt steht noch der Altbau auf einem Teil der Fläche. Und eine Ehrensache ist es zumindest für den grünen Teil der Regierung auch, dass im Garten kein Baum gefällt wird – das neue Gebäude windet sich extra um einige alte Bäume herum.

Abstand zwischen Politikern und Bürgern soll kleiner werden

Weiter will Klaus-Peter Murawski rund um die Villa Reitzenstein wenigstens symbolisch die Ferne zwischen Politikern und Bürgern beenden. Der Park soll deshalb möglichst schon vom Spätsommer an zumindest an den Wochenenden geöffnet werden. „Winfried Kretschmann und ich hätten ihn gerne ganz aufgemacht“, sagt Murawski: „Aber das ging aus Sicherheitsgründen leider nicht.“ Eine hohe Außenmauer entlang der Gröberstraße soll im Zuge der Bauarbeiten ebenfalls fallen – damit die Bürger zu jeder Tages- und Nachtzeit auf das Gelände schauen können. Und: im Neubau will man ein Besucherzentrum mit kleinem Museum einrichten.

In einem landeseigenen Haus an der Sandbergerstraße außerhalb des Geländes rücken bald ebenfalls die Bauarbeiter an: Das Staatsministerium wird dort eine Kindertagesstätte für den Nachwuchs der Mitarbeiter eröffnen. 50 Plätze hat der Kindergarten, ein Viertel davon ist für Kinder aus der Umgebung gedacht. Für die Interimsnutzung bis 2015 muss auch das Clay-Haus, das künftig in das Gelände der Villa Reitzenstein integriert sein wird, saniert und um einen Ergänzungsbau im Hof vergrößert werden, damit alle Mitarbeiter des Staatsministeriums untergebracht werden können. Dieses Containerhaus mit schicker Holzfassade wird aber in zwei Jahren wieder verschwinden. Etwa 1,3 Millionen Euro kostet allein dieser Teil des Projektes – insgesamt wird das Land knapp 30 Millionen Euro für die Neuordnung des Staatsministeriums ausgeben.

Insgesamt investiert das Land 30 Millionen Euro

In das Clay-Haus ziehen neben Kretschmann und Murawski auch Silke Krebs (Ministerin im Staatsministerium) und Peter Friedrich (Minister für internationale Angelegenheiten). Wenn alle Bauarbeiten abgeschlossen sind, kehren alle zurück in die Villa Reitzenstein – die Staatsrätin Gisela Erler wird dann im Clay-Haus ihren Dienstsitz nehmen. Wobei: schon vor dem Einzug schwärmt Klaus-Peter Murawski in höchsten Tönen von der schnuckeligen Clay-Residenz – vielleicht wollen er und der „MP“ bald gar nicht mehr raus.