Ein bisschen Neid, aber auch ganz viel Zuneigung: Nach sechzig Jahren Landesgeschichte bestimmt das das Verhältnis zwischen den beiden Fußballvereinen.

Stuttgart/Freiburg - Niemals zuvor sind sich die Fans des SC Freiburg und des VfB Stuttgart so einig gewesen wie an jenem nebligen Novembersamstag des Jahres 1998. Im Dreisamstadion spielten beide Mannschaften gegeneinander, der Gastgeber gewann mit 2:0 – doch die Hauptperson saß auf der Stuttgarter Trainerbank und hieß Winfried Schäfer. Jahrelang war er zuvor beim Karlsruher SC tätig, dem Feindbild beider Fanlager, und so stimmten sie gemeinsam kräftige Schmähgesänge auf den damaligen VfB-Coach an.

 

Es sind nicht die Südbadener aus Freiburg, sondern die Nordbadener aus Karlsruhe, an denen die Stuttgarter Fans ihr baden-württembergisches Rivalitätsdenken auf besonders leidenschaftliche Weise ausleben. „Spiele gegen den KSC sind die richtigen Derbys, Spiele gegen Hoffenheim gar keine Derbys, Spiele gegen Freiburg kleine Derbys“, so umschreibt der VfB-Manager Fredi Bobic die Stimmungslage in der Landeshauptstadt – und käme nur im äußersten Notfall auf die Idee, einen Spieler aus Karlsruhe engagieren.

Fachkräfte aus Freiburg dagegen sind in Stuttgart durchaus gern gesehene Mitarbeiter. Joachim Löw zum Beispiel ist von den Fans jüngst zum beliebtesten VfB-Trainer aller Zeiten gewählt worden; und dass der Abwehrspieler Martin Spanring in Stuttgart nicht glücklich wurde, lag weniger an seiner Herkunft, sondern vielmehr an seinen Schwächen im Aufbauspiel (und womöglich auch an seiner Gelfrisur und dem ausgeprägten Sinn für Mode, die nicht so richtig passten in die Heimat der Schaffer und Häuslebauer).

Eigentlich mögen sie beim VfB den SC Freiburg ganz gerne

Niemals wären bei VfB-Spielen gegen Freiburg die Reiterstaffeln und Einsatzhundertschaften notwendig, deren es bedarf, um die sogenannten Risikospiele zwischen Stuttgart und Karlsruhe über die Bühne zu bringen. Kein VfB-Fan käme auf die Idee, einen SC-Anhänger zum Duell herauszufordern, nur weil der ein Freiburg-Trikot trägt. Und wenn Fredi Bobic neulich davon sprach, es sei „eh wurscht“, wenn der SC in die zweite Liga absteige, dann war dies nicht despektierlich, sondern eher anerkennend gemeint.

Denn eigentlich mögen sie beim VfB den SC Freiburg ganz gerne und beneiden ihn manchmal sogar ein bisschen dafür, dass es dort viel lockerer zugeht und die Welt nicht einstürzt, wenn ein, zwei Spiele verloren werden. Und zumindest insgeheim drücken die VfB-Fans dem kleinen Bruder die Daumen, auf dass der auch nächstes Jahr in der Bundesliga spiele. Sehr ungern jedenfalls würden sie darauf verzichten, einmal im Jahr durchs Höllental Richtung Freiburg zu fahren und vor dem Anpfiff badische Schäufele auf dem Münsterplatz zu essen. Dem Rivalen aus Karlsruhe dagegen würde ein echter VfB- Fan auch dann noch den Abstieg wünschen, wenn der Club aus Nordbaden bereits in der Bezirksliga angekommen wäre.

Und so ist einst die Verpflichtung des Ex-KSC-Trainers Winfried Schäfer als riesiges Missverständnis in die VfB-Geschichte eingegangen. Kurz nach jenem Novembersamstag 98 wurde er entlassen – und es konnte Schäfer auch nicht retten, dass er nicht in Karlsruhe geboren wurde, sondern in Mayen in der Vulkaneifel.

Verkanntes Südbaden

Egal, was der VfB macht: es soll die Welt interessieren. Und der Sportclub wird gemein missachtet.

Es wäre übertrieben zu behaupten, dass sich der VfB Stuttgart in Freiburg und Umgebung größtmöglicher Popularität erfreut. Was aber weniger an den Kickern aus der Landeshauptstadt liegt, als vielmehr an den hie und da noch spürbaren, rational nicht immer erklärbaren Ressentiments, die so manche Badener gegenüber den Württembergern pflegen. Savoir-vivre kontra Kleingeist, so die gängige Kurzformel. Unterschwellig ist aber schon auch ein bisschen Neid im Spiel: Daimler und Porsche gelten auch im ach so grünen Breisgau als Statussymbole.

Was in Südbaden aber nervt, ist die gefühlte Nichtbeachtung, die Institutionen der Landeshauptstadt dem äußersten Südwesten des Landes bisweilen angedeihen lassen. Stets werden beispielsweise Spiele des VfB, egal gegen wen, im Landessender SWR zu Topereignissen hochgezoomt, während die sportlichen Bemühungen an der Dreisam unter „ferner liefen“ laufen. Zyniker versteigen sich sogar zur Behauptung, dass der mittlerweile um die Zugehörigkeit zur Zweitklassigkeit bangende Karlsruher SC im Schwäbischen mehr Beachtung findet als der Sportclub Freiburg. Ein Schlag tief in die Magengrube eines jeden Südbadeners, gelten doch der nordbadische KSC und insbesondere seine nicht als sonderlich feinsinnig geltenden Fans zu jener Spezies, mit der man gleich gar nichts zu tun haben möchte.

Ein Wohlfühltag: Der 4:0 Sieg für die Freiburger gegen den VfB

Dumm nur, dass die Gefühlswallungen im Freiburger Fanblock bei Gastspielen der Stuttgarter selten von Einfallsreichtum zeugen. Lautstark wird dann proklamiert, man möge den Schwaben doch „die Spätzle aus dem A . . .“ ziehen. Vergessen, dass das schwäbische Nationalgericht auch hierzulande, als Chnöpfli, auf den Teller kommt. Peinlich muten die Gesänge schon deshalb an, weil aktuell gleich vier SC-Akteure – Kapitän Julian Schuster, Andreas Hinkel, Oliver Barth und Simon Brandstetter – im Schwäbischen das Licht der Welt erblickten. Und wurde seinerzeit nicht auch Trainer Robin Dutt, vormals Stuttgarter Kickers, nach Wiederaufstieg und geschafftem Klassenerhalt im Breisgau als Heilsbringer gefeiert – ein geborener Kölner zwar, aber bekennender Schwabe? Dass Gerhard Mayer-Vorfelder, der langjährige Ex-Präsident des VfB, obwohl politisch tiefschwarz, für viele ein rotes Tuch war, passt da irgendwie ins Bild. Wie soll man solche Kuriositäten im Fußballalltag erklären?

Erinnert werden muss an dieser Stelle jedoch an einen Wohlfühltag, den eingefleischte Anhänger des Freiburger Fußballs wohl nie vergessen werden. Den Abstieg vor Augen, musste der Sportclub am drittletzten Spieltag der Saison 1993/94 beim VfB Stuttgart antreten. Doch, oh Wunder, nicht die um einen Uefa-Cup-Platz spielenden Schwaben behielten an jenem 23. April die Oberhand, sondern die bereits abgeschriebenen Gäste aus der Südwestecke. 4:0 gewann der Sportclub, es war der erste Schritt zum damaligen Nichtabstiegswunder. Nach dem vierten Treffer erhoben sich damals die mitgereisten Anhänger der Breisgauer, es waren nicht wenige, und schmetterten in der Kurve inbrünstig das „Badnerlied“. In der Höhle des Löwen – Balsam pur.