Der augenfälligste Streit um den Kirchenkurs hat sich aber an der „lateinischen Messe“ entzündet, und nicht nur die ebenso konzilfeindlichen wie vom Papst gehätschelten Piusbrüder sind deren kompromisslose Vorkämpfer. Auch Martin Mosebach meint, die neue Messe habe in einer „Häresie der Formlosigkeit“ den alten, einzig wahren, „allzeit gültigen Ritus zerstört“. Doch er selbst fantasiert sich einen alten Ritus zusammen, den es so nie gegeben hat: Die lateinische Messe, um die es geht, ist genau genommen die Tridentinische Messe, die nach dem antireformatorischen Konzil von Trient, 1570, erst als solche festgelegt worden ist. Sie ist allein auf den Klerus zugespitzt, kennt das „Volk Gottes“ als Angehörige des „gemeinsamen, königlichen Priestertums“ und als „tätige Teilnehmerschaft“ am Ritus nicht; dafür schleppt sie den alten, engen, statischen, ausgrenzenden Kirchenbegriff bleibend mit sich herum.

 

Das heißt: wer jenseits des ästhetischen Reizes, den die Tridentinische Messe auf bildverwöhnte und geistig heimatlose Postmoderne ausüben mag, die allgemeine Rückkehr zu ihr fordert, der fordert die Kehrtwende der Kirche insgesamt. Liturgie und Kirchenbegriff gehören untrennbar zusammen. Wer die Tridentinische Messe für alle verlangt, der will die ohnehin kleiner werdende Öffnung der katholischen Kirche zu Welt, Mensch, Konfessionen und Religionen gänzlich rückgängig machen. Die katholische Kirche würde enden als eine in ihre eigenen Bilder verliebte, aber unbedeutende Sekte. Die Kirche würde aussehen wie Schwester Appiana unter ihrem alten Schleier: weiß und blass. Und totenbleich.