Die eigenen Daten und die IT-Infrastruktur übers Internet in die so genannte Cloud auslagern? Das war für den vorsichtigen und datensensiblen Mittelstand lange ein schwieriges Thema. Doch nun scheint sich der Wind zu drehen.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Wenn es um die Frage geht, ob ein Unternehmen in der sogenannten Internet-Cloud seine Daten und IT-Vorgänge einem externen Anbieter anvertraut, galt Deutschland international lange als Nachzügler. Doch nun ruft die Cloud-Branche – nicht ganz uneigennützig – die Wende aus und wappnet sich mit den entsprechenden Studien. So hat im Auftrag des Hamburger IT-Dienstleister Nexinto das Kasseler Beratungsunternehmen Crisp Research aktuell eine Untersuchung veröffentlicht, die besagt, dass der deutsche Mittelstand bei diesem Thema trotz aller Unkenrufe den Durchbruch geschafft habe.

 

Laut einer Umfrage unter 222 Firmen mit 20 bis 2500 Mitarbeitern haben bereits 85 Prozent den Schritt in die Cloud vollzogen oder denken zumindest darüber nach. Als hartnäckige Verweigerer zeigten sich nur noch etwas weniger als 15 Prozent.

Aktuelle Daten belegen allerdings auch, welchen Rückstand die Bundesrepublik im internationalen Vergleich aufholen muss. Während weltweit für knapp zwei Drittel der Unternehmen die Auslagerung von IT-Daten und -Verarbeitungskapazitäten in die sogenannte Cloud eine Selbstverständlichkeit ist, hat sich bisher noch nicht einmal jedes zweite deutsche Unternehmen mit diesem „Kontrollverlust“ anfreunden können.

Ohne Cloud keine Industrie 4.0

Insbesondere der deutsche Mittelstand und hier gerade Branchen wie der Maschinenbau, die Baden-Württemberg stark gemacht haben, galten hier bisher als Nachzügler. Ohne in die Cloud ausgelagerte Rechen- und Speicherkapazitäten ist aber die Entwicklung zur vernetzten, sogenannten Industrie 4.0 kaum möglich. Die traditionelle deutsche Sorge um Datenschutz und Datensicherheit in Deutschland wurde in den vergangenen Jahren zudem durch die heftiger als anderswo geführte Debatte über die Snowden-Affäre verstärkt. Dabei, so sagen die Verfasser der Studie, sei einiges durcheinandergeworfen worden. Die Datensicherheit sei nämlich bei Cloud-Anbietern exzellent. Der wunde Punkt sei, insbesondere bei den US-Regularien unterliegenden Firmen, der Datenschutz.

Auch der auf die Cloud spezialisierte Anbieter Salesforce aus den USA, der vor allem im Wettbewerb mit SAP, dem traditionellen Anbieter von Unternehmens-IT, verstärkt auf den deutschen Markt drängt, versucht mit hohen Investitionen die Skepsis in Deutschland zu kontern. „Wir haben in Deutschland massiv investiert und gemeinsam mit der Deutschen Telekom im Herbst 2015 ein Rechenzentrum eröffnet“, sagt Harald Esch, der bei Salesforce für die Mittelstandskunden im datenschutzsensiblen deutschsprachigen Raum zuständig ist.

Salesforce betont, dass man nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes im vergangenen Jahr, das bisherige transatlantische Datenaustauschprogramm Safe Harbor zu kippen, für sichere Rechtsgrundlagen nach europäischen Standards gesorgt habe. Unter anderem biete man den Abschluss von europäischen Standardvertragsklauseln für die Verarbeitung personenbezogener Daten an.

Die Studie gießt aber Wasser in den Wein, was den Datenschutz bei Public-Cloud-Lösungen angeht. Dort nutzt der Kunde nur die externe IT-Infrastruktur ohne damit verbundene Serviceleistungen. Salesforce ist übrigens kein Public-Cloud-Anbieter, dort ist Amazon der klare Marktführer in Deutschland. „Hier liegen die Skeptiker (leider) meist richtig“, heißt es in der Studie. Gerade die großen amerikanischen Public-Cloud-Anbieter wie Amazon Web Services, Microsoft und Google unterlägen strengen Auflagen der US-Regierung und könnten Daten selten nach deutschem oder europäischem Recht sichern.

„Selbst die Existenz eines deutschen Rechenzentrums, das meist als wichtiger Schritt der Cloud-Anbieter in Richtung des deutschen Marktes gilt, ist spätestens seit der Nichtig-Erklärung des Safe-Harbor-Abkommens nicht hinreichend für den notwendigen Datenschutz“, heißt es in der Studie.

Die Zwänge des Wettbewerbs treiben die Unternehmen

Doch die Unternehmen treiben schlicht die Zwänge des Wettbewerbs. Deutsche Mittelständler, insbesondere deren Chefetagen haben begriffen, dass Deutschland hier auf Dauer keine Sonderrolle spielen kann. Die Studie nennt es bemerkenswert, wie sehr die Entwicklung inzwischen nicht nur von den IT-Experten, sondern auch aus den Chefetagen befördert werde. In mehr als einem Viertel der Fälle sind sie die Antreiber. Das zeige, dass das Nachdenken über die Cloud in den Führungsetagen angekommen sei – biete allerdings auch einen Beleg dafür, dass Mittelständler oft keine separaten IT-Führungskräfte hätten.

Harald Esch von Salesforce nennt ein auch für Mittelständler typisches, herausforderndes Beispiel. Wenn eine Firma Zukäufe macht, dann erbt sie eine gewachsene IT, die mit der eigenen nicht kompatibel ist. Dies sei, laut Esch, ein guter Startpunkt, um das System in der Cloud neu aufzuziehen: „Es geht etwa darum, des IT-Wildwuchses Herr zu werden, der oft mit Zukäufen einhergeht. Das ist nicht weniger komplex, ob die beteiligten Firmen nun kleiner oder größer sind. Wenn die alten Systeme isoliert waren und es keinen dezentralen Zugriff gibt, dann gibt es viele Doppelungen, und das Ganze ist fehleranfällig.“