Rechnungen und Kundenprofile geben viel preis – wenn sie verknüpft werden. Die Grenzen der Datensammlung sind längst nicht erreicht.

Stuttgart - Viele Unternehmen sammeln detaillierte Informationen über ihre Kunden, um daraus entsprechende Nutzerprofile zu erstellen. Die Profile lassen Rückschlüsse zu, welche Produkte bei den Kunden besonders gut ankommen. So weit, so bekannt. Die Beobachtung der Lebensumstände weitet sich allerdings aus. Inzwischen lassen sich bereits bestimmte Konsumgewohnheiten von Kunden in der Zukunft voraussagen, das berichtet zumindest das US-amerikanische Online-Portal "The Daily Beast". Es zitiert den Chef eines sozialen Netzwerks, der aus den Nutzerdaten und weiteren freiwilligen Angaben mit einer 90-prozentigen Trefferquote vorhersagen kann, wo sich ein Nutzer am nächsten Tag aufhalten wird.

Was aber passiert, wenn auf diese Weise wichtige Ereignisse wie beispielsweise eine Scheidung vorhergesagt werden? Berichten zufolge, die im Internet kursieren, versuchen etwa Kreditkartenfirmen wie Visa oder Mastercard herauszufinden, ob sich das Leben einer Person ändert, damit ihre Geschäftspartner Angebote machen können, die möglichst zur Lebenslage der Kunden passen. Visa bestreitet auf Nachfrage, über solche Daten zu verfügen und verweist stattdessen auf die kooperierenden Mitgliedsbanken, die die Kreditkarten an die Bankkunden ausgeben. "Visa Europe ist nicht in der Lage, kundenspezifische Daten zu sammeln und daraus individuelle Prognosen abzuleiten", sagt die Visa-Sprecherin Britta-Julia Schöning. Die technischen Möglichkeiten gibt es jedoch.

Aus Kundendaten werden Kundenprofile


Mit dem sogenannten Data-Mining, also dem Schürfen nach Erkenntnissen in einem großen Datenbestand, können Unternehmen aus Kundendaten genaue Kundenprofile erstellen. So lässt sich zum Beispiel vorab ermitteln, ob sich ein Kunde für eine Neuerscheinung auf dem Buchmarkt interessieren dürfte. Notwendig ist dazu eine strukturierte Wissensbasis, also eine Datenbank, in der verzeichnet ist, welche Genres es gibt und wer die jeweils wichtigsten Autoren sind. Zudem muss der Büchergeschmack des Kunden bekannt sein. Um den zu ermitteln, könne man auf die Daten von Kredit- und Paybackkarten zurückgreifen, erläutert Mathias Bauer, Geschäftsführer von Mineway, einer Firma, die sich auf die Datenanalyse spezialisiert hat. "Diese Möglichkeiten werden auch in Deutschland angeboten."

Wie in anderen Fällen auch, geht es darum, Informationen aus verschiedenen Märkten mit bestimmten Merkmalen des Kunden zu verknüpfen: also beispielsweise sein Alter und seinen Beruf mit seinen Einkaufsgewohnheiten in Buchhandlungen. Einzelne Merkmale allein ergeben noch kein klares Bild, im Computer fügen sie sich jedoch zu einem Profil zusammen.

Die Grenzen der Datensammlung sind längst noch nicht erreicht. Nach Einschätzung Bauers lässt sich mit einer Verknüpfung vieler Einzelinformationen sogar eine Scheidung vorhersagen. "Wenn ich etwas über das Privatleben herausfinden will, ist es zum Beispiel wichtig, ob derjenige kürzlich ein Konto bei einer Partnervermittlungsbörse eröffnet oder eine Partnerschaftsanzeige im Internet eingestellt hat."

Anhand der Daten werden Risikoprofile erstellt


Im Versandhandel gibt es bereits Vorhersagemodelle, die das Risiko für Zahlungsausfälle auf der Grundlage demografischer Daten vorhersagen. Dazu werden keine Kontoauszüge benötigt, sondern vielmehr Risikoprofile für verschiedene Gruppen erstellt, die anhand von Alter, Wohnort, Beruf und Kinderzahl unterschieden werden. Die persönlichen Daten stammen oft von Datenhändlern, die diese zum Verkauf anbieten. "Je mehr Daten man zur Verfügung hat, desto wahrscheinlicher ist, dass man irgendwelche Muster erkennen kann", erläutert Georgios Tsantes von der Firma Additive Soft- und Hardware für Technik und Wissenschaft. Anschließend wandelt man diese Muster in Prognosemodelle um, mit denen sich das Konsumverhalten voraussagen lässt. "Letztlich geht es immer darum, gezielt Kosten einzusparen oder effizienter zu arbeiten", sagt Tsantes. "Bei Versicherungen oder Kreditfirmen geht es darum, Risiken zu minimieren."

Doch die Unternehmen bestreiten, diese Methoden anzuwenden. Nachfrage bei der Deutschen Bank. Christian Hotz, Sprecher für die Region Nordost, verweist auf das persönliche Kundengespräch: "Wir sammeln Informationen, die vom Kunden kommen, zentralisieren sie aber nicht." Auch bei der Kreditvergabe stehe der Einzelfall im Vordergrund: "Eine zentral zusammengefasste Prognose gibt es nicht", sagt Hotz. "Wir müssen bei Krediten zwar gewisse Vorhersagen machen, aber die Möglichkeiten sind begrenzt."