Das soziale Netzwerk Facebook und der Suchmaschinengigant Google kündigen Neuerungen an und beschäftigen damit die Datenschützer.

Stuttgart - Im Jahre 1983, also lange bevor es Facebook und Google gab und das Internet ein Ort wurde, an dem sich viel Geld verdienen lässt, hat das Bundesverfassungsgericht ein wegweisendes Urteil gefällt. Dort wird das Recht des einzelnen Bürgers hochgehalten, über seine Daten selbst zu bestimmen. "Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß", heißt es im sogenannten Volkszählungsurteil.

 

Internetkonzerne wie Facebook und Google loten gezielt aus, was innerhalb der damit gesetzten Grenzen noch möglich ist. So auch mit ihren neuesten Ankündigungen. Facebook hatte im Dezember als freiwillige Leistung seine Chronik eingeführt, Timeline genannt. Nutzer können ihre Nachrichten, Fotos und Daten von ihrer Geburt an in einem Zeitstrahl anordnen. Nun wird diese Chronik verpflichtend. Wie schon mehrmals legt Facebook den Schalter um und zwingt seine Nutzer einzugreifen, wenn sie einzelne Einträge nicht angezeigt haben wollen.

Während Facebook Neugierigen neue Möglichkeiten der Datenverknüpfung eröffnet, tut Google einen großen Schritt hin zu kommerziell verwertbaren Nutzerprofilen. Googles Datenschutzbeauftragte Alma Witten lobt die Neuerung ihres Unternehmens. Google könne in Zukunft "wunderbar einfache, intuitive Nutzererlebnisse quer durch alle Google-Dienste" möglich machen, schreibt sie in einem Blog-Eintrag. Gemeint sind außer der Suchmaschine auch der E-Mail-Dienst Google Mail, das soziale Netzwerk Google+, die Video-Site Youtube, der Fotodienst Picasa und viele andere Google-Dienste.

Neue Suchfunktionen

Witten erklärt das Neue an der vor Kurzem vorgestellten neuen Suchfunktion. Die könne viel besser funktionieren, "wenn wir herausfinden können, was Sie meinen, wenn Sie Suchworte wie Apple, Jaguar oder Pink eintippen." Der eine sucht nach Obst, Tieren und Farben, die andere nach Markenzeichen. Auch eine persönliche Rechtschreibkontrolle werde möglich - alles dadurch, dass der Google-Nutzer sich bei seinem Google-Konto anmeldet. Denn zu diesem Konto will Google künftig alles speichern, was der Nutzer unternimmt. Welche Städte schaut er sich mit Google Streetview an? Wohin reist er mit Google Maps? Worüber tauscht er sich in Google+ aus? Google schließt daraus, wohin die nächste Reise gehen könnte, und liefert passende Werbung. "Die Menschen haben es immer noch schwer genug", schreibt Witten in rührender Fürsorge. "Wir möchten ihnen besser als bisher zur Hand gehen."

Bisher haben die unterschiedlichen Google-Dienste die persönlichen Daten der angemeldeten Kunden in bis zu 70 Dokumenten gespeichert. Jetzt werden diese zusammengefasst und gezielt ausgewertet. Die neuen Nutzungsbedingungen und die neue Datenschutzerklärung gelten vom 1. März an, stehen aber bereits im Netz. Wer Google anonym, also ohne Anmeldung nutzt, entgeht auch weiterhin der zusätzlichen Informationsfürsorge. Und der angemeldete Kunde kann immerhin einzelne von Google ausgesuchte Werbeanbieter gezielt abschalten.

Google wappnet sich also gegen Vorwürfe. Der für Facebook und Google zuständige Hamburger Datenschutzbeauftragte ist vorsichtig optimistisch. Die Dimension dessen, was Google angekündigt habe, sei "gravierender" als die Chronik von Facebook, sagt der Referatsleiter Ulrich Kühn. Doch Google habe die Datenschützer immerhin vorab informiert, und die Verringerung der Zahl der Datenschutzerklärungen von 70 auf rund 10 mache diese "für den Nutzer leichter fassbar". Auch hat das Unternehmen versprochen, keine Daten aus dem Konzern herauszugeben. Dennoch würden "dichtere und datenschutzrelevantere Möglichkeiten der Analyse" geschaffen. Die Datenschützer werden die Umsetzung der Ankündigungen deshalb aufmerksam verfolgen.