Die Telekom hat einen Stein ins Wasser geworfen: Warum nicht Mails im Inlandsverkehr allein über die deutsche Internet-Infrastruktur leiten? Doch bei näherem Hinsehen ist der Vorschlag nicht überzeugend.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Eines muss man der Deutschen Telekom lassen: Sie hat besser als andere Internetanbieter in Deutschland verstanden, aus der Verunsicherung der Verbraucher wegen der NSA-Spionageaffäre Kapital zu schlagen. Und so hat ein im Sommer plakativ unter dem Titel „E-Mail made in Germany“ gestarteter Vorstoß nun seine Fortsetzung gefunden. Vor einigen Monaten versprach das Bonner Telekommunikationsunternehmen, dass man E-Mails auf dem ganzen Weg zwischen Sender und Empfänger nach dem SSL-Standard verschlüsseln wolle – was aber auch heißt, dass sie der Anbieter selbst auf seinen Servern immer noch lesen kann. Auch die Tatsache, dass inzwischen bekannt wurde, dass die Amerikaner diesen relativ schwachen Codierungsstandard knacken können, hat dem Versprechen etwas an Durchschlagskraft genommen.

 

Nun schlägt die Telekom vor, dass E-Mails, deren Sender und Empfänger in Deutschland liegen, nur noch über inländische Netze und Verbindungspunkte geleitet werden sollen. Das klingt plausibel – und ist doch ein cleverer Schachzug der Telekom-Öffentlichkeitsarbeit. Der Vorschlag kann nur funktionieren, wenn sich alle Wettbewerber darauf einlassen. Zudem ist es oft unmöglich, zwischen inländischer und ausländischer Kommunikation zu unterscheiden. Viele deutsche Nutzer haben ein E-Mail Konto bei ausländischen Anbietern wie Google oder Yahoo – deren Server liegen nicht nur in Deutschland.

Die Telekom nutzt bei ihrem Vorschlag einen strategischen Vorteil. Sie kann auf eine größere nationale Infrastruktur zurückgreifen als ihre Wettbewerber. Wenn E-Mails hingegen von anderen Anbietern auf die Reise geschickt werden, nutzen sie neben regionalen Verknüpfungsstellen häufig den größten europäischen Knotenpunkt namens De-Cix in Frankfurt am Main. Die Telekom ist mit dieser Schnittstelle zwar verbunden, braucht sie aber nicht. Diese Schaltzentrale hat in den vergangenen Monaten eine gewisse Berühmtheit erlangt, weil sie als Angriffspunkt für Abhöraktionen ausländischer Geheimdienste gilt. De-Cix ist für viele Anbieter aber die wirtschaftlichste Schnittstelle. Das kann aber bedeuten, dass gelegentlich auch für innerdeutsche Mails ausländische Infrastruktur genutzt wird. Die Telekom organisiert den Datenaustausch hingegen durch das „Peering“, also die direkte Koppelung zweier Partner. Sie weiß also besser, welchen Weg ihre Mails nehmen.

Für die Konkurrenz ist das Telekom-Angebot wenig reizvoll

Man versteht den Charme, den das Ganze für die Telekom hat: Sie könnte den von ihr geforderten Standard „made in Germany“ ohne größere Umstellungen erreichen. Aber so groß wäre der Unterschied nicht. Schon heute berührt schon aus ökonomischen Gründen die große Mehrheit der innerdeutschen Mails nicht das Ausland. Garantieren in jedem Einzelfall lässt sich das aber nicht. Andere Firmen müssten dazu Kooperationen mit der Telekom eingehen. Die Hilfestellung beim Datentransport würde sich der Konzern sicher zu marktüblichen Preisen bezahlen lassen. Die Begeisterung potenzieller Partner über das Angebot dürfte sich also in Grenzen halten. Die Telekom spekuliert offen darauf, dass der politische Druck zu einem nationalen Kommunikationsnetz wachsen wird. Sie hat ein Gesetz ins Gespräch gebracht, das einen innerdeutschen oder innereuropäischen Mailverkehr vorschreiben könnte.

Doch das ist nur eine vage Perspektive. Deutsche Sicherheitsbehörden, die am ehesten am innerdeutschen Mailverkehr interessiert sind, behielten ihren legalen Zugriff. Es ist auch fraglich, ob Briten und Amerikaner an rein nationalen Mails überhaupt so großes Interesse haben. Die grenzüberschreitende Kommunikation ist für sie viel wichtiger. Für innerdeutsche Daten könnten sie zudem auf die Kooperation mit den deutschen Geheimdiensten bauen. Eine in der Praxis kaum wirksame Umstellung, die für die Konkurrenz wenig attraktiv ist und der Telekom zusätzliches Geschäft bringen könnte, als generösen Vorschlag zum Verbraucherschutz zu verkaufen – das muss man der Deutschen Telekom erst einmal nachmachen.