Die Technik lockt mit Versprechungen – aber es ist eine Falle, sagt der Journalist Joachim Jakobs beim „Data Protection Day“ an der Stuttgarter Hochschule der Medien. Er ruft zu einem wachsamen Umgang mit den Daten auf.

Stuttgart - In der griechischen Mythologie fielen die Menschen den Sirenen zum Opfer, weil diese so schön sangen. Aber das war eine Falle. Eine ähnliche Falle lauert uns heute auf: Die modernen Sirenen sind die neuen Technologien, die uns Features versprechen, die unser Leben leichter machen. Auch sie locken in eine Falle, denn sie geben unsere Daten preis an Kriminelle und Geheimdienste. So sieht es zumindest der Fachjournalist Joachim Jakobs, der auf dem „Data Protection Day“ der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart vor den Folgen des laxen Umgangs mit Daten warnt.

 

Wer seinem Vortrag lauscht, fragt sich am Ende, ob er nicht besser zu Fuß zur Bank gehen sollte, wie von Jakobs empfohlen, anstatt die Überweisung mit dem Handy zu tätigen. Jakobs zitiert diverse Geheimdienstvertreter mit ihrem Ziel, alle irgendwie greifbaren Daten erst einmal zu sammeln. Sei es der einstige CIA-Chef David Petraeus, der einst vollmundig behauptete, die Menschen bis in ihr Wohnzimmer hinein zu beobachten, wenn sie dort ihr Licht mittels ihres Smartphones steuerten. Und der schließlich – so die Ironie der Geschichte – über eine Affäre stolperte, die mittels Metadaten ausgetauschter Mails mit seiner Geliebten bekannt wurde. Oder CIA Technik-Chef Ira Hunt, der angibt, Fitnessbänder zu lieben, da man allein an deren Daten einen Menschen an dessen Gangmuster erkennen könne.

Die Zuhörer sind ratlos

Überwachungskameras an Bahnhöfen würden damit überflüssig, so Jakobs. Jeder dieser an seinem Gang erkannten Menschen landete mit seinen Daten in den unendlichen Archiven der CIA, zitiert Jakobs Hunt weiter: „Wir versuchen alles zu sammeln und behalten es für immer.“ Das möchte natürlich keiner. Aber die Sirenen der Neuzeit locken beispielsweise mit der Möglichkeit, Skype-Konferenzen simultan zu übersetzen. Erste Hochschulen bieten laut Jakobs schon Skype-Konferenzen an, was im öffentlichen Dienst in Baden-Württemberg allerdings verboten ist. Wer noch dazu weiß, dass man aus den Skype-Videos die Mimik der Beteiligten automatisch analysieren und auf deren Stimmung schließen kann, dass die Sprachdaten in diversen Datenbanken landen und ausgewertet werden, und dass man mittels der Daten von Facebook und Twitter Psychogramme über die Nutzer erstellen kann, der fühlt sich dem Bigbrother schnell hilflos ausgeliefert.

Das ist leider auch der Effekt von Jakobs Vortrag: Nach 95 Excel-Folien, mit denen Jakobs über Daten informiert, die verschiedentlich entwendet und missbraucht wurden, macht sich im Hörsaal der HdM Ratlosigkeit breit. Was hilft? Auf den Staat ist nicht zu hoffen, sagt Jakobs: „Das Thema ist dem Lobbyismus anheim gefallen, es gibt zu wenig Druck auf die Politik.“ Er appelliert an Bildung und Selbstschutz. Solange man nicht wisse, was genau ein Gerät tue, das man nutze, solle man es lassen.

Wurden früher keine Daten gestohlen?

In der Diskussion versucht Hans-Joachim Oettinger, der Präsident des Landesverbandes der steuerberatenden Berufe und Bruder Günther Oettingers, das Thema auf den Boden zu holen. „Niemand mehr geht heute zu den Öffnungszeiten zur Bank“, ruft er. Selbst seine Mutter tätige Überweisungen auf dem iPad. Daten seien auch früher gestohlen worden. Ob man einen Ordner mit Mandantendaten oder einen Laptop im Auto liegen lasse, sei beides leichtsinnig. Deshalb schützen sich aus seiner Sicht seine Berufskollegen gut: „Das Bewusstsein ist da, Sie rennen bei uns offene Türen ein.“ Cornelius Kölbel von der Open Source Business Alliance rät schließlich ähnlich wie Jakobs zur Abwägung: „Muss ich beim Joggen immer auf das Piepen meines Smartphones hören, oder nicht lieber auf das Zwitschern der Vögel?“ Vielleicht singen die sogar schöner als die Sirenen.