Die Staatsanwaltschaft hätte die Namen derjenigen, die gegen Stuttgart 21 Anzeige erstattet haben, nicht nennen dürfen - sagt zumindest der Datenschutzbeauftragte.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat gegen den Datenschutz verstoßen, als sie in einer Verfügung zu Stuttgart 21 die Namen aller Anzeigeerstatter aufführte. Zu diesem Ergebnis kommt der Datenschutzbeauftragte des Landes, Jörg Klingbeil, bei einer durch die StZ ausgelösten Untersuchung. Geteilt wird seine Einschätzung von der württembergischen Generalstaatsanwaltschaft, während die Stuttgarter Ermittler bis zuletzt uneinsichtig blieben. Die übergeordnete Behörde hat nun alle Staatsanwaltschaften - also auch die Stuttgarter - aufgefordert, in vergleichbaren Fällen künftig anders zu verfahren.

 

Etwa sechs Personen aus ganz Deutschland hatten im Zusammenhang mit dem Bahnprojekt Anzeige gegen Verantwortliche von Politik und Bahn erstattet. Sie erhoben den Vorwurf der Untreue und des Betrugs, weil bereits bekannte Kostensteigerungen verschwiegen worden seien. Der zuständige Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler sah jedoch keinen Anlass für Ermittlungen. In einer 15-seitigen Verfügung begründete er, warum kein Verfahren eingeleitet werde; die Anzeigeerstatter waren darin mit Vor- und Nachnamen sowie mit ihren akademischen Titeln aufgeführt. Dadurch wurde ihre Identität einer breiten Öffentlichkeit bekannt.

Nach einer Anfrage der StZ und der Beschwerde eines Betroffenen leitete der Datenschutzbeauftragte eine Prüfung ein. Seinem Verdacht, das Vorgehen sei nicht datenschutzkonform, widersprach die Staatsanwaltschaft in zwei Stellungnahmen. Ihre Argumentation: Man habe die von bestimmten Anzeigeerstattern herausgestellten Aspekte den anderen nicht vorenthalten wollen. Eine Schwärzung der Namen wäre "nicht angemessen" gewesen, weil sich die jeweiligen Vorwürfe dann nicht hätten zuordnen lassen. Insgesamt sei das Vorgehen rechtlich in Ordnung.

Sanktionen muss die Ermittlungsbehörde nicht fürchten

Für Klingbeil ist diese Argumentation nicht triftig: Auch ohne Namensnennung wäre es möglich gewesen, die Vorwürfe der einzelnen Personen und die Bewertung der Staatsanwaltschaft darzustellen. Aus der Strafprozessordnung ergebe sich keine Rechtsgrundlage für das Vorgehen der Behörde. Da auch keine Einwilligung der Betroffenen vorliege, stelle deren Vorgehen einen Datenschutzverstoß dar. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart stellt sich dagegen weiterhin vor Häußler: Auf Anfrage sagte eine Sprecherin lediglich, dass der Datenschutzbeauftragte "unsere Rechtsauffassung nicht teilt".

Klingbeil wandte sich daraufhin an die von Klaus Pflieger geführte Generalstaatsanwaltschaft. Seine Aufforderung: diese solle dafür sorgen, dass die Stuttgarter Behörde künftig datenschutzkonform vorgehe. Pfliegers Haus hat sich der Rechtsauffassung des obersten Datenschützers nun angeschlossen. Die Nennung von Anzeigeerstattern sei nicht grundsätzlich unzulässig, sagte ein Sprecher, es komme vielmehr auf den Einzelfall an. In einem Fall wie dem vorliegenden, wo mehrere Anzeigen in einer Verfügung beschieden würden und die Erstatter weder "Verletzte" seien noch in einem unmittelbaren Bezug zum Sachverhalt stünden, dürften die Namen jedoch nicht genannt werden. Darauf habe man die Staatsanwaltschaften mit der Bitte um Beachtung hingewiesen.

Offen ist, ob der Datenschutzbeauftragte das Vorgehen der Staatsanwaltschaft auch förmlich beanstandet. Darüber dürfte er sich am Montag äußern, wenn er seinen Jahresbericht vorstellt. Sanktionen muss die Ermittlungsbehörde nicht fürchten: diese werde nur bei einem vorsätzlichen Verstoß verhängt. Bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart gibt es möglicherweise einen weiteren, vielleicht gravierenderen Vorgang im Umgang mit Anzeigeerstattern, der den Datenschutzbeauftragten noch beschäftigen könnte.