Der Geiger David Garrett begeistert mit seiner Klassik-Show die Besucher im Stuttgarter Beethovensaal. Regelmäßig wird er sogar an Attacca-Übergängen unterbrochen – so begeistert ist das Publikum.

Stuttgart - Beim Konzert des Geigers David Garrett am Samstag im ausverkauften Beethovensaal bekommt der Kritiker mit den Freikarten einen Zettel gereicht, überschrieben „Programm Klassik-Tournee 2014“. Nicht etwa das Hochglanz-Programmheft, das im Foyer für teures Geld verkauft wird. Der Veranstalter verbietet das Fotografieren, erlässt aber keine Regeln für den Beifall. David Garrett wird sogar an Attacca-Übergängen regelmäßig unterbrochen. Aber er ist mit dem Publikum auf Du und Du und lässt es gewähren.

 

Garrett stellt das begleitende Verbier Festival Chamber Orchestra vor und, allerdings erst nach der Pause, dessen Leiter Christoph Koncz. Er sagt die Werke an und erzählt Anekdoten aus seinem Leben. Wenn er von seinem Mentor, dem großen Geiger Itzhak Perlman spricht, mag man an den Pianisten und Dirigenten Justus Frantz und seine Geschichten von Leonard Bernstein denken.

Die Begriffe Belcanto und Virtuosität erklärt er. Den „Erlkönig“ nicht. Nur, dass das Arrangement von ihm sei. Auf dem Programm steht jedoch, es sei von Franck van der Heijden, wie auch die meisten anderen Arrangements, die Garrett vorträgt. Der Name von Franz Schubert als Komponisten des „Erlkönigs“ erscheint noch nicht einmal auf dem Zettel. Stattdessen ist Heinrich Wilhelm Ernst genannt, der Schuberts Lied für Solovioline transkribierte. Offenbar das Arrangement eines Arrangements.

Nach der Pause ändert sich der Ton der Veranstaltung

Mit der Crossover-Version vom CD-Album „Garrett vs. Paganini“ hat es nichts gemein. Das Orchester spielt ohne Garrett. Die Schubert-Ernst-Partitur wird fragmentiert, gekürzt und mit neu komponierten Abschnitten durchsetzt, die das Original dissonant verfremden – ein bisschen à la Alfred Schnittke. Das lässt aufhorchen.

Die übrigen Arrangements gehen in eine andere Richtung. Giuseppe Tartinis „Teufelstriller-Sonate“, Mozarts „Türkischer Marsch“ und diverses von Niccolò Paganini werden unter Aufbietung eines Konzertflügels nebst Schlagzeug mit einer filmisch-sentimentalen Einheitssauce übergossen.

Nach der Pause ändert sich der Ton der Veranstaltung. Zu farbiger Beleuchtung – Frühling grün, Sommer rot, Herbst gelb, Winter blau – erklingen Antonio Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ wie notiert. Christoph Koncz, in der ersten Hälfte am Pult, verfügt sich nunmehr mit Geige ins Orchester. Dass er vor jedem Konzert das zugehörige programmatische Gedicht vorträgt, ist sehr zu begrüßen.

Zugabe mit einer Geigerin aus dem Orchester

Die Zugabe, im Duett mit einer Geigerin aus dem Orchester, wird dadurch kontrapunktiert, dass ein Zuhörer im hinteren Teil des Saals sein mutmaßliches Bootleg des Konzerts auf dem Handy abspielt.

David Garrett ist beileibe kein schlechter Geiger. Aber anders als im 19. Jahrhundert Paganini – oder heute der amerikanische Organist Cameron Carpenter – eröffnet er in seinem Spiel keine neuen Perspektiven, die seine Eskapaden entschuldigen und seinen Kultstatus künstlerisch rechtfertigen würden.