Im DB-Kundenzentrum am Bahnhof in Stuttgart-Vaihinger gibt es nur zwei Stühle, nämlich die für die Mitarbeiter hinterm Schalter. Die Kunden müssen stehen – aus „versicherungstechnischen Gründen“, wie es heißt.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Vaihingen - Hendrickje und Frank Lerbs ärgern sich, und zwar über die Deutsche Bahn (DB). Das Möhringer Ehepaar ist oft und gern mit dem Zug in der Region unterwegs. Tickets und Beratung gibt es im DB-Reisezentrum am Bahnhof in Stuttgart-Vaihingen. Was es dort nicht gibt, ist ein Stuhl. Seit einem Jahr versucht das Paar nun schon, die Bahn dazu zu bringen, eine Sitzgelegenheit für ihre Kunden bereit zu stellen. Aber die Bahn bewegt sich nicht.

 

In dem Reisezentrum gibt es zwei Schalter. „Doch oft ist nur einer besetzt“, schildert Hendrickje Lerbs die Situation. Diese führe hin und wieder zu längeren Wartezeiten. Hinzu komme, dass das Reisezentrum ein großes Glasdach habe. Gerade im Sommer heize sich der Pavillon stark auf. Wer in einer solchen Situation länger stehe, dem könne schon mal schummrig werden. „Gerade ältere Menschen brauchen da doch mal eine Sitzgelegenheit, um sich auszuruhen“, sagt Hendrickje Lerbs. Sie hat die Situation bereits vor einem Jahr bei einem der Mitarbeiter in dem Vaihinger Reisezentrum angesprochen. Dieser habe daraufhin zusammen mit ihr ein offizielles Beschwerdeformular ausgefüllt.

Ehepaar will der Bahn einen Stuhl spenden

Das war am 31. Mai 2016 und der Anfang eines kuriosen Briefverkehrs zwischen der Bahn und dem Ehepaar Lerbs. Denn in der Antwort der Bahn vom 7. Juni heißt es: „Wir bedauern die bei Ihnen entstandenen negativen Eindrücke zum Erscheinungsbild des Reisezentrums Stuttgart-Vaihingen sehr. Leider sehen unsere Richtlinien vor allem aus versicherungstechnischen Gründen keine dauerhafte Sitzgelegenheit vor. Bitte sprechen Sie bei längeren Wartezeiten beziehungsweise bei Bedarf die Mitarbeiter vor Ort direkt an, diese werden Ihnen gerne für die Dauer Ihres Aufenthalts im Reisezentrum einen Stuhl zur Verfügung stellen.“ Hendrickje Lerbs schüttelt noch immer fassungslos den Kopf, wenn sie diese Zeilen liest. „Was soll denn das heißen: aus versicherungstechnischen Gründen?“, fragt sie.

Das Ehepaar griff also wieder zu Stift und Papier und schrieb an die Bahn: „Wir bedauern unsererseits sehr, dass Sie uns offensichtlich nicht richtig verstanden haben. Es geht nicht um ,Eindrücke zum Erscheinungsbild des Reisezentrums‘. Es geht schlichtweg um Kundenfreundlichkeit gegenüber alten und körperlich behinderten Menschen, eben um eine Sitzgelegenheit, wenn man warten muss, einen einfachen Plastikstuhl, oder zwei. Wo ist das versicherungstechnische Problem? Wohl dann, wenn jemand aus Schwäche umfällt“, gibt das Ehepaar zu bedenken und fügt hinzu: „Wenn eine Warteschlange entsteht, geht man nicht zu dem ohnehin sehr beschäftigten Beamten und fordert ihn auf, einen Stuhl zu besorgen. Das verzögert den Betrieb.“ Die beiden Möhringer gehen sogar soweit und bieten der Bahn an, einen Stuhl zu spenden.

Wer ist zuständig für einen Stuhl?

Die gleiche DB-Mitarbeiterin, welche dem Ehepaar am 7. Juni geschrieben hatte, antwortet nun in einem Brief vom 27. Juni: „Die Zufriedenheit der Kunden in unseren Reisezentren liegt mir sehr am Herzen. Leider konnte ich diese mit meinem Brief an Sie nicht sicherstellen, aus diesem Grund leite ich Ihr Anliegen zur weiteren Klärung an unseren eigens für Kritik und Anregungen eingerichteten Kundendialog weiter.“

Doch auch die Kollegen vom Kundendialog der Deutschen Bahn sind mit der Forderung des Ehepaars nach einem Stuhl anscheinend überfordert. In einem Schreiben vom 11. Juli heißt es: „Ihre Kritik haben wir mit der Bitte um Prüfung dem verantwortlichen Fachbereich zur Verfügung gestellt. Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass wir als Kundendialog keinen Einfluss auf die Arbeitsweisen und interne Strukturen anderer Fachabteilungen nehmen können.“ Und direkt darunter steht der Satz, der Hendrickje Lerbs besonders ärgert: „Als zentraler Ansprechpartner für alle Ihre Anliegen stehen wir Ihnen auch künftig jederzeit gern wieder zur Verfügung.“ Das sei eine „Unverschämtheit, findet sie. Und ihr Mann ergänzt: „Jedes Mal kommt von der Deutschen Bahn nur bürokratisches Blabla.“

Die Fachabteilung hat noch nicht geantwortet

Von der Fachabteilung, auf welche die Bahn in ihrem letzten Schreiben hinweist, hat das Ehepaar bis heute nichts gehört. Auf Nachfrage unserer Zeitung nennt die Bahn zumindest einen konkreten Grund, warum in dem Reisezentrum keine fest installierten Sitzgelegenheiten vorhanden sind. „Es gibt dort Bereiche, die nur schlecht einsehbar sind. Und es kommt immer wieder vor, dass sich in dem Kundenzentrum Menschen aufhalten, die gar keine Fahrkarte kaufen wollen“, sagt eine Sprecherin des Unternehmens. Auch sie verweist darauf, dass sich die Kunden bei bedarf an die Mitarbeiter wenden sollen. „Stühle sind vorhanden. Die werden auf Nachfrage rausgegeben“, so die Sprecherin.

Das Ehepaar Lerbs betont, sie seien nicht die einzigen, die sich einen Stuhl im Reisezentrum wünschen. In den Warteschlangen gebe es immer wieder Mal entsprechende Wortmeldungen. „Als ich dann mal erzählt habe, dass die Bahn mir geraten hat, mich an einen Mitarbeiter zu wenden, der mir dann einen Suhl bringen würde, probierte es eine etwas resolute Dame aus“, erzählt Hendrickje Lerbs. Der Mitarbeiter am Schalter habe völlig konstatiert geschaut, ihr aber schließlich tatsächlich den Stuhl seines Kollegen gebracht, der gerade nicht im Haus war.