Seit fünf Jahren fährt die Güterbahn Verluste ein. Nun sollen Standorte geschlossen werden. Arbeitnehmer befürchten einen radikalen Kahlschlag.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Deutsche Bahn will den verlustreichen Güterverkehr auf der Schiene durch massive Einsparungen wieder profitabel machen. 18 der bundesweit 39 Standorte von DB Schenker Rail sollen deshalb aufgegeben werden. Zudem droht 30 Prozent der Güterverkehrsstellen die Schließung, rund 400 kleinere Logistikzentren seien „zu überprüfen“. Das geht aus vertraulichen Unterlagen der DB-Spitze zur Aufsichtsratssitzung am kommenden Mittwoch hervor, die der Stuttgarter Zeitung vorliegen.

 

„Qualität, Produktivität und Markterfolg unbefriedigend – Wirtschaftlichkeit kritisch“ – so fassen die DB-Manager und McKinsey-Berater die derzeitige kritische Situation von Europas größter Güterbahn zusammen. Das Geschäft sei bereits seit fünf Jahren operativ nicht mehr profitabel, allein für 2015 wird ein Verlust von 184 Millionen Euro erwartet. Seit 2011 habe DB Schenker Rail zudem acht Prozentpunkte Marktanteil verloren, bei Transporten der Autobranche sogar elf Prozent.

Ursache Nummer eins: mangelnde Qualität

An erster Stelle der Ursachen wird in den internen Untersuchungen die mangelnde Qualität des Angebots genannt. So würden Zusagen an die Kunden „vielfach nicht eingehalten“, nur 67 Prozent der Komplettzüge seien pünktlich und nur 72 Prozent der Einzelwagen. Bei Autotransporten auf der Schiene liegt die Quote demnach nur bei 72 Prozent, bei der Zulieferung von Fahrzeugteilen sogar bei nur 60 Prozent. Sogar zugesagte Regelzüge würden abgesagt. Bei den Transporten für die Chemie- und Montanbranche sind die Werte zwar etwas besser, aber auch hier partizipiere man wie beim Containerverkehr wenig am Wachstum.

In Arbeitnehmerkreisen wird befürchtet, dass bei DB Schenker Rail mittelfristig bis zu 5000 der noch knapp 31 000 Stellen wegfallen könnten. Auch die Verlagerung der Zentrale von Mainz nach Frankfurt wurde bereits erwogen. Der DB-Aufsichtsrat berät um Mittwoch in Berlin über Wege aus der Krise und die Sanierungskonzepte von Vorstandschef Rüdiger Grube. Allein in der Gütersparte sollen rund 1,3 Milliarden Euro an außerordentlichen Abschreibungen vorgenommen werden, die lapidar mit „Neubewertungen“ begründet werden.

Arbeitnehmer befürchten Kahlschlag

Dahinter könnte sich ein radikaler Kahlschlag im Schienengüterverkehr verbergen, wird in Arbeitnehmerkreisen befürchtet. So könnten mehr als 500 der bundesweit noch 1500 Güterverkehrsstellen geschlossen und damit ganze Regionen und Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern komplett von der DB als wichtigstem Anbieter aufgegeben werden, heißt es. Es drohe die Schließung ganzer Standorte und die komplette Einstellung des Einzelwagenverkehrs. Mit dem Rückzug aus der Fläche würde sich das Frachtvolumen, das umweltschonend über die Schiene rollt, weiter verringern und der klimaschädliche Lastwagen-Transport zunehmen.

Die überraschenden Milliardenabschreibungen im Güterverkehr sowie angebliche Kosten der Restrukturierung des Konzerns von rund 700 Millionen Euro führen dazu, dass unterm Strich nun für 2015 ein Riesenverlust von knapp 1,3 Milliarden Euro stehen soll. Operativ allerdings fährt die Bahn immer noch ein deutlich positives operatives Ergebnis (Gewinn vor Zinsen und Steuern) von fast 1,8 Milliarden Euro ein, bei einem geplanten Gesamtumsatz von knapp 41 Milliarden Euro. Bei der Vorlage des Halbjahresberichts im Juli hatte Finanzchef Richard Lutz noch rund zwei Milliarden Euro Vorsteuergewinn erwartet. Unterm Strich sank der Bahngewinn schon in den ersten sechs Monaten um 39 Prozent auf nur noch 391 Millionen Euro.

Mit einem „Systemwechsel“ soll die Güterbahn der Mittelfristplanung zufolge bis 2018 wieder in die Spur kommen und dann ein Prozentpunkt stärker als der Markt wachsen. DB Schenker Rail soll sich dazu auf profitablen Verkehr konzentrieren, Abläufe straffen und Kosten senken, die Produktivität erhöhen und künftig Versprechen an Kunden zu 95 Prozent einhalten. Ziel seien eine „marktübliche Kapitalrendite“ von mehr als zehn Prozent und „mittelfristig mehr Verkehr auf die Schiene“.