Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Die Endphase der DDR-Wirtschaft ist deshalb ein Krimi aus Schmuggel, Schiebereien und illegalen Geschäften. Auch wenn gesamtwirtschaftlich betrachtet nach der Wende seine Bedeutung etwas überschätzt wurde, ist der so genannte oberste Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski zu Recht zum Symbol dieser Zeit geworden. Diesem im Westen gut vernetzten, skrupellosen Finanzjongleur war es mit zu verdanken, dass die DDR die Pleite um ein halbes Jahrzehnt hinausschieben konnte.

 

Die Stasi-Abteilung Kommerzielle Koordinierung (Koko) betrieb reihenweise schmutzige Geschäfte. Sie handelte beim Freikauf von Gefangenen durch die Bundesrepublik buchstäblich mit Menschen. Die Koko ließ Kunstwerke aus Museen plündern oder von Privatleuten konfiszieren, um sie gegen harte Devisen zu verkaufen. Sie importierte gegen harte D-Mark Giftmüll aus der Bundesrepublik und verkaufte skrupellos Waffen in jedes Konfliktgebiet.

Es waren übrigens Geschäfte, bei denen auch so manche große Namen der westdeutschen Wirtschaft keine großen Hemmungen hatten. Die Enthüllungen über diese Schiebergeschäfte trugen erheblich zum moralischen Bankrott der DDR bei. Als Ende 1989 bekannt wurde, dass Schalck-Golodkowski gleichzeitig die in der Siedlung Wandlitz lebende Elite aus Staat und Partei mit für andere DDR-Bürger unerreichbaren Westprodukten versorgte, war das ein weiterer Sargnagel für die SED-Herrschaft.

Strauß verschaffte DDR Gnadenfrist

Im Herbst 1989 war aber auch Schalck-Golodkowski mit seinem Latein am Ende. Die Staatsführung wusste zu diesem Zeitpunkt, dass die DDR am Tropf des Westens hing. Ohne massive Geldspritzen drohte der Zusammenbruch. Schon einmal, in der ersten Hälfte der achtziger Jahre, war dieser nur durch einen vom damaligen CSU-Chef Franz-Josef Strauß 1984 überraschend eingefädelten Milliardenkredit westdeutscher Banken verhindert worden. Die Tatsache, dass sich der eigentlich als deutschlandpolitischer Hardliner geltende bayerische Ministerpräsident gegenüber dem CDU-Kanzler Helmut Kohl profilieren wollte, war damals der Rettungsanker für die DDR. Der Niedergang des sozialistischen Systems habe Anfang der achtziger Jahre in Polen mit der Zahlungsunfähigkeit des Staates begonnen, schrieb Schalck-Golodkowski im Rückblick: „Die Zahlungsunfähigkeit der DDR war seit 1983 ständig in Sicht.“

Humanitäre Zugeständnisse gegen harte Devisen, diesen Deal hatten west- und ostdeutsche Unterhändler in den achtziger Jahren perfektioniert, unabhängig vom aktuellen Verhältnis der DDR zu den Liberalisierungsbemühungen in Moskau. Einmal gab es Milliarden an Westgeld für die Nutzung der Transitwege nach Berlin, ein andermal für Reiserleichterungen. Die damalige Bundesregierung setzte dieses Mittel wie ein Dealer ein, der einem Süchtigen nur so viel Stoff gibt, dass er ständig wiederkommen muss. „Wir konnten gar nichts Klügeres tun, als der DDR relativ viel Geld zu zahlen“, so zitiert der Wirtschaftswissenschaftler Michael Kruse einen Mitarbeiter des damals für die innerdeutschen Gespräche zuständigen Kanzleramtsministers Wolfgang Schäuble: „Das aber war das süße Gift der deutsch-deutschen Beziehungen. Die DDR wurde daher in eine zunehmende Abhängigkeit gebracht: Das hat der damalige Kanzleramtschef früh erkannt.“ Der Kulminationspunkt war das Wendejahr 1989, in dem die DDR nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch vor dem Bankrott stand.

Sanktionen des Westens trugen zum Niedergang bei

In den Analysen zum Mauerfall taucht sie nur selten auf, dennoch war die so genannte Cocom-Liste, mit deren Hilfe der Westen den Export von High-Tech in die sozialistischen Staaten zu verhindern versuchte, ein entscheidender Faktor für den Kollaps der DDR. Hochtechnologie konnte nur mit vielen Tricks ins Land geschafft werden. Aus eigener Kraft schaffte die DDR den Anschluss nicht mehr.

Paradebeispiel ist die Produktion eigener Mikrochips, die vom damaligen Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker als Beleg für die technische Potenz des Landes hervorgehoben wurde. Als im September 1988 das Kombinat Carl Zeiss Jena einen Ein-Megabit-Chip präsentierte, war das Land finanziell und technologisch bis an die Grenzen seine Möglichkeiten gegangen.

Doch schon am Tag als der Chip Honecker vorgestellt wurde, war die vermeintliche Errungenschaft hoffnungslos überholt. Der japanische Marktführer Toshiba hatte zwei Jahre zuvor mit der Massenproduktion solcher Chips begonnen – zu Schleuderpreisen. Chips mit vier Megabit waren in Sicht. Auf dem Weltmarkt war das DDR-Produkt chancenlos und für die Binnenwirtschaft zu teuer.

Honecker wollte sich Zustimmung erkaufen

Insgeheim wusste die DDR-Führung, wie brüchig ihr Rückhalt in weiten Teilen der Bevölkerung war. Sie versuchte sich deren Stillhalten buchstäblich zu erkaufen. Doch dafür brauchte es den stetigen Strom westlicher Devisen. Diese Entwicklung hatte ironischerweise der sonst auf eine strikte Abschottung vom Westen setzende Staatsratsvorsitzende Erich Honecker zu verantworten. Er hatte der Bevölkerung einen höheren Lebensstandard versprochen und schlug dafür alle Warnungen vor der seit den siebziger Jahren unaufhörlich gekletterten West-Verschuldung der DDR in den Wind.

Dass man beim Wohlstand der Bundesrepublik hinterherhinkte, damit hatte sich das Gros der DDR-Bevölkerung über die Jahre mehr oder weniger abgefunden. Aber bis zur Mitte der achtziger Jahre hatte die DDR dank der Westdevisen und teilweise mithilfe manipulierter Statistiken immerhin einen stetigen ökonomischen Fortschritt suggerieren können. Dies war auch eines der Argumente dafür, warum sich die Führung hartnäckig von den sowjetischen Wirtschaftsreformen unter Michail Gorbatschow distanzierte. So marode wie beim großen sozialistischen Bruder sei die eigene Wirtschaft doch nicht, hieß es. Diese Illusion musste um jeden Preis aufrechterhalten werden.

DDR-Ende wurde zum Wirtschaftskrimi

Die Endphase der DDR-Wirtschaft ist deshalb ein Krimi aus Schmuggel, Schiebereien und illegalen Geschäften. Auch wenn gesamtwirtschaftlich betrachtet nach der Wende seine Bedeutung etwas überschätzt wurde, ist der so genannte oberste Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski zu Recht zum Symbol dieser Zeit geworden. Diesem im Westen gut vernetzten, skrupellosen Finanzjongleur war es mit zu verdanken, dass die DDR die Pleite um ein halbes Jahrzehnt hinausschieben konnte.

Die Stasi-Abteilung Kommerzielle Koordinierung (Koko) betrieb reihenweise schmutzige Geschäfte. Sie handelte beim Freikauf von Gefangenen durch die Bundesrepublik buchstäblich mit Menschen. Die Koko ließ Kunstwerke aus Museen plündern oder von Privatleuten konfiszieren, um sie gegen harte Devisen zu verkaufen. Sie importierte gegen harte D-Mark Giftmüll aus der Bundesrepublik und verkaufte skrupellos Waffen in jedes Konfliktgebiet.

Es waren übrigens Geschäfte, bei denen auch so manche große Namen der westdeutschen Wirtschaft keine großen Hemmungen hatten. Die Enthüllungen über diese Schiebergeschäfte trugen erheblich zum moralischen Bankrott der DDR bei. Als Ende 1989 bekannt wurde, dass Schalck-Golodkowski gleichzeitig die in der Siedlung Wandlitz lebende Elite aus Staat und Partei mit für andere DDR-Bürger unerreichbaren Westprodukten versorgte, war das ein weiterer Sargnagel für die SED-Herrschaft.

Strauß verschaffte DDR Gnadenfrist

Im Herbst 1989 war aber auch Schalck-Golodkowski mit seinem Latein am Ende. Die Staatsführung wusste zu diesem Zeitpunkt, dass die DDR am Tropf des Westens hing. Ohne massive Geldspritzen drohte der Zusammenbruch. Schon einmal, in der ersten Hälfte der achtziger Jahre, war dieser nur durch einen vom damaligen CSU-Chef Franz-Josef Strauß 1984 überraschend eingefädelten Milliardenkredit westdeutscher Banken verhindert worden. Die Tatsache, dass sich der eigentlich als deutschlandpolitischer Hardliner geltende bayerische Ministerpräsident gegenüber dem CDU-Kanzler Helmut Kohl profilieren wollte, war damals der Rettungsanker für die DDR. Der Niedergang des sozialistischen Systems habe Anfang der achtziger Jahre in Polen mit der Zahlungsunfähigkeit des Staates begonnen, schrieb Schalck-Golodkowski im Rückblick: „Die Zahlungsunfähigkeit der DDR war seit 1983 ständig in Sicht.“

Humanitäre Zugeständnisse gegen harte Devisen, diesen Deal hatten west- und ostdeutsche Unterhändler in den achtziger Jahren perfektioniert, unabhängig vom aktuellen Verhältnis der DDR zu den Liberalisierungsbemühungen in Moskau. Einmal gab es Milliarden an Westgeld für die Nutzung der Transitwege nach Berlin, ein andermal für Reiserleichterungen. Die damalige Bundesregierung setzte dieses Mittel wie ein Dealer ein, der einem Süchtigen nur so viel Stoff gibt, dass er ständig wiederkommen muss. „Wir konnten gar nichts Klügeres tun, als der DDR relativ viel Geld zu zahlen“, so zitiert der Wirtschaftswissenschaftler Michael Kruse einen Mitarbeiter des damals für die innerdeutschen Gespräche zuständigen Kanzleramtsministers Wolfgang Schäuble: „Das aber war das süße Gift der deutsch-deutschen Beziehungen. Die DDR wurde daher in eine zunehmende Abhängigkeit gebracht: Das hat der damalige Kanzleramtschef früh erkannt.“ Der Kulminationspunkt war das Wendejahr 1989, in dem die DDR nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch vor dem Bankrott stand.

Der SED-Politiker Egon Krenz, der sich am 18. Oktober 1989 im DDR-Politbüro an die Macht geputscht und Erich Honecker abgelöst hatte, versuchte das Pokerspiel um westliche Devisen noch ein letztes Mal zu spielen. Der Westen sollte im eigenen Interesse die wankende DDR-Wirtschaft stabilisieren. Dafür wollte man entsprechende Gegenleistungen bieten. Aber diesmal war der Einsatz viel höher – und die DDR hatte diesen Handel nicht mehr im Griff.

Die DDR-Führung erwog eine Grenzöffnung nicht nur aus politischem Kalkül, sondern vor allem auch aus wirtschaftlicher Verzweiflung. Am 30./31. Oktober 1989, also nur zehn Tage vor dem Mauerfall, debattierte das SED-Politbüro erstmals offen über einen Vorschlag, der Bundesrepublik im Austausch gegen wirtschaftliche Unterstützung eine schrittweise Öffnung der Grenze anzubieten.

Der Entwurf war ein ökonomischer Offenbarungseid. Die DDR könne nur noch ein Drittel ihres Devisenbedarfs decken, heißt es in der Vorlage, die unter anderem von Schalck-Golodkowski unterschrieben war: „Das bedeutet, dass die fälligen Zahlungen von Tilgungen und Zinsen – das heißt Schulden – mit neuen Schulden bezahlt werden“. Wenn der Westen nicht schnell helfe, sei man pleite. Der brisanteste Satz steht in ziemlich verquastem Politbüro-Deutsch ganz am Ende: „Um der BRD den ernsthaften Willen der DDR zu unseren Vorschlägen bewusst zu machen, ist zu erklären, dass durch diese und weitergehende Maßnahmen der ökonomischen und wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit DDR-BRD noch in diesem Jahrhundert solche Bedingungen geschaffen werden könnten, die heute existierende Form der Grenze zwischen beiden deutschen Staaten überflüssig zu machen.“

Damit war der Gedanke der Grenzöffnung in der Welt – die aber kurz darauf viel früher und chaotischer Wirklichkeit wurde als von den DDR-Oberen gewünscht.