Beispiel Elektromobilität: die Technik steckt noch in ihren Kinderschuhen, dabei wünscht sich die Politik schnellere Fortschritte. Woran hapert es? Bei einer Diskussionsrunde in Stuttgart suchen Forscher, Politiker und Industrievertreter nach den Ursachen.

Stuttgart - Ist Deutschland innovativ genug, um im internationalen Wettbewerb zu bestehen? Auf diese Frage folgt oft die Feststellung, dass es doch typisch deutsch sei, alles schlecht zu reden. Aber Stefan Hartung aus der Geschäftsführung von Bosch, sieht im Kritisieren nicht unbedingt ein Problem: „Vielleicht ist das ständige Hinterfragen der Grund für unsere Innovationsfähigkeit“, sagt er. Wer stolz ist auf das Erreichte, so die Logik dahinter, dem fehlen womöglich die Geduld und Genauigkeit, die es für gute Ideen oft braucht. Mit anderen Worten: bruddeln lohnt sich.

 

Aber gleich im nächsten Moment wehrt sich auch Stefan Hartung gegen das Schlechtreden. Er greift das viel zitierte Beispiel des Faxgeräts auf: in Deutschland erfunden und von Japanern zu Geld gemacht. Bosch stellt Haushaltsgeräte her, und so kontert er: Die Spülmaschine sei in den USA erfunden worden. So pendelt auch an diesem Dienstagabend im Neuen Schloss in Stuttgart die Debatte zwischen Zufriedenheit und Alarmstimmung. Auch die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) sagt, dass der Wissenschaftsstandort Deutschland zwar aufgeholt habe, aber die Dynamik in anderen Regionen der Welt einen nicht ruhen lassen dürfe.

Das Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme hat eingeladen und fragt, woher Innovationen kommen. Aus der Grundlagenforschung, dem Geschäft aller Max-Planck-Institute – das scheint klar zu sein. Aber wie wird aus allgemeinen Erkenntnissen ein Produkt, das Menschen nützt? Stefan Hartung sagt, er wünsche sich mehr Dialog zwischen Entdeckern und Herstellern. „Der Weg von der Grundlagenforschung bis zum Produkt ist kompliziert und lang“, sagt er. Das ist nicht wirklich kontrovers, aber es ist dennoch der Ausgangspunkt für einige Differenzen.

Muss die Forschung mit der Industrie reden?

Wissenschaftler würden doch alle Schritte ihrer Arbeit dokumentieren und in vielen Fachartikeln veröffentlichen, wendet Ferdi Schüth ein, Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft. Die könne jeder lesen und bei Interesse die Forscher kontaktieren. Und der Rektor der Universität Stuttgart, Wolfram Ressel, führt die Debatte von einzelnen Produkten zu gesellschaftlichen Problemen. Die könnten nur fachübergreifend gelöst werden, sagt er – und sich über Fachgrenzen hinweg zu verständigen, sei „beliebig schwierig“. Den Dialog darf man sich also nicht als Gespräch zwischen Erfinder und Industrievertreter vorstellen. Ein Beispiel ist die Elektromobilität. Eine Million Elektroautos will die Bundesregierung bis zum Jahr 2020 auf den Straßen haben. Derzeit sind es gut 12 000. Ist Deutschland nicht innovativ genug?

Theresia Bauer könnte sich ein wenig mehr Fördermittel vorstellen, aber nötig sei vor allem, die Kräfte fachübergreifend zu bündeln. Für Elektroautos brauche man nicht nur Batterien, die mehr Energie speichern, leichter sind und weniger kosten, sagt sie. Auch die Infrastruktur müsse noch entwickelt werden. Als plakatives Problem nennt sie Ladestationen in der Stadt, die von anderen Autos zugeparkt würden. Ferdi Schüth, der Chemiker ist, verweist darauf, dass die Grundlagen für die heutigen Akkus von Wissenschaftlern in den 70er-Jahren entwickelt worden seien, die gar nicht an Elektroautos gedacht hätten. Ihnen sei es nur darum gegangen, die Welt zu verstehen – nicht, sie zu retten. Erst später habe man das Potenzial dieser Grundlagenforschung erkannt. Und Stefan Hartung fragt sich ganz pragmatisch, ob der Tipping Point in der Elektromobilität schon erreicht sei. So wird der Punkt einer Entwicklung benannt, ab dem es nur noch bergauf geht – oder nur noch bergab. Das klingt, als würden die Unternehmen bald entscheiden, ob sich die Elektromobilität für sie wirklich lohnt.

Darf die Politik in die Forschung eingreifen?

Auch wenn alle auf dem Podium versichern, dass die Grenzen zwischen Grundlagenforschung und Anwendungen verschwimmen und man schon längst eng zusammenarbeite, merkt man den Argumenten ihre Herkunft an. Stefan Hartung spielt zum Schluss den Ball an die Politik zurück: Sie könne über die Abgaben auf Sprit und Strom in den Markt eingreifen. Aber sollte die Politik auch in die Forschung eingreifen, um Innovationen zu gewünschten Themen zu fördern? Theresia Bauer hat darauf eine salomonische Antwort: „Der Charme des deutschen Wegs ist doch sein Facettenreichtum“, sagt sie. So gebe es hierzulande einen Mix: Max-Planck-Institute, deren Mitarbeiter sich ganz ihren Forschungsinteressen hingeben können, Forschungszentren wie die der Helmholtz-Gemeinschaft, in denen fachübergreifend an gesellschaftlichen Problemen gearbeitet wird, und dazwischen die Universitäten, die für alle den Nachwuchs ausbilden. „Ich würde nicht dazwischen entscheiden wollen“, sagt die Ministerin.