In der Debatte in der Regionalversammlung gibt es zwar Konsens, den öffentlichen Nahverkehr zu fördern. Aber beim Straßenbau – besonders bei den Projekten Nordostring und Filderauffahrt – werden unterschiedliche Standpunkte deutlich.

Stuttgart - Erstmals hat die Regionalversammlung am Mittwoch über die von 2018 an drohenden, zunächst temporären Fahrverbote für Dieselautos unterhalb der Euro-6-Norm im Stuttgarter Talkessel diskutiert. Einen Beschluss haben die Regionalräte aber nicht gefasst. Aus zwei Gründen: Erstens werden sie im Rahmen des vom Land zu erlassenden Maßnahmenpakets zur Luftreinhaltung noch offiziell gehört; und zweitens sind sie sich über einzelne Aspekte uneinig. Das betrifft den Sinn von Fahrverboten, aber vor allem die Forderung nach Straßenbauprojekten wie den Nordostring und die Filderauffahrt.

 

Einig waren sich die Regionalräte aller Fraktionen zumindest darin, dass die Auswirkungen der Fahrverbote auf den Verkehr in den Nachbarstädten von Stuttgart genau untersucht werden müssen. „Erst wenn nachgewiesen ist, dass keine unzumutbaren Mehrbelastungen entstehen, können die geplanten Fahrverbote aus regionaler Sicht eingeführt werden“, heißt es in einem zehnseitigen Papier der Verwaltung des Verbands Region Stuttgart. Darin sind vielfältige Aktivitäten aufgelistet, gewürzt mit Forderungen nach einer stärkeren finanziellen Förderung durch den Bund und das Land, etwa für mehr P+R-Plätze. Zur Abstimmung wurde das Papier aber nicht gestellt, so dass sich daraus keine politische Forderungen der Regionalversammlung herleiten lassen. Damit hat sich das Gremium zunächst selbst aus dem Spiel genommen, zumal wenn es um Finanzfragen geht.

Verband nimmt Stellung zum Feinstaubticket

Nicht umstritten war immerhin, dass die Region, die politisch für die S-Bahn verantwortlich ist, sich weiter für den Ausbau des ÖPNV stark macht. Das Spektrum der Aktivitäten reicht von der stufenweisen Einführung des ganztägigen Viertelstundentakts über die moderne Signaltechnik ETCS für die S-Bahn-Stammstrecke und dem Ausbau von Tangentialverbindungen bis zu besseren Umsteigeverbindungen.

Interessant in diesem Zusammenhang: In dem Papier werden „weitere tarifliche Anstrengungen des VVS“ angemahnt mit dem Ziel einer „kundenorientierten, einfachen Gestaltung der Tarife“. Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um die Einführung der Ein-Zonen-Struktur in Stuttgart und dem Wegfall der Sektorengrenzen in den Außenringen verlangt der Verband, dass „diese Problematik gelöst werden sollte“. Aber auch zum Feinstaubticket nimmt er Stellung und kritisiert die bisherige Regelung, wonach an Feinstaubalarmtagen Erwachsene zu Kinderticketpreisen Einzel- und Viererfahrscheine nutzen können. Ein künftiges Tarifangebot solle nicht nur an Feinstaubalarmtagen, sondern über die gesamte Feinstaubperiode, also von Mitte Oktober bis Mitte April, angeboten werden. „Ziel muss sein, dauerhaft Fahrgäste zum Umstieg auf den ÖPNV zu bewegen und nicht allein an kritischen Tagen mit hoher Luftbelastung“. Zudem mahnt die Region, dass „die Treue der Dauerkarteninhaber“ bei der künftigen Feinstaubregelung „belohnt werden sollte.“

Kuhn weist Straßenbauforderungen zurück

In der Debatte, die ziemlich ungeordnet und willkürlich das gesamte Feld der Verkehrspolitik durchmaß, sprach sich die Regionaldirektorin Nicola Schelling wie schon im Interview mit dieser Zeitung dafür aus, „die Engpässe im Straßennetz zu beseitigen, weil die Verflüssigung des Verkehrs das wirksamste Mittel zur Reduzierung der Schadstoffe ist“. Konkreter wurde Rainer Ganske (CDU): „Wer die Stuttgarter Innenstadt entlasten will, muss sich zum Nordostring und Filderauffahrt bekennen“. Das sieht auch Frank Buß (Freie Wähler) so. Zugleich warnte er davor, die Probleme in Stuttgart so zu lösen, dass Bewohner in der Region Nachteile erleiden. „Alle haben ein Recht auf saubere Luft“, sagte er.

OB Fritz Kuhn, Regionalrat der Grünen, wies die Straßenbauforderungen zurück. „Wer wie Sie Frau Schelling Fahrverbote kritisiert, muss sagen, was ab 2018 funktioniert und nicht erst 2040“, sagte Kuhn zum Streit über Nordostring und Filderauffahrt. Die Region müsse sich stärker für pünktliche S-Bahnen und mehr P+R-Plätze einsetzen – und „dabei schnell vorankommen“. Auch Harald Raß (SPD) erneuerte die Ablehnung von Straßenneubauten wie dem Nordostring. Raß sieht in erster Linie das Land in der Pflicht – vor allem für die Finanzierung des ÖPNV-Ausbaus.