Die Debatte um ein Denkmal für die friedliche DDR-Revolution geht weiter. Im April kam das überraschende Aus für den Entwurf des Stuttgarter Büros Milla und Partner. Nun ist die „Einheitswippe“ wieder im Spiel.

Kultur: Tim Schleider (schl)

Stuttgart - Es ist wieder Zeit für Grundsätzliches: Mit einer Diskussion zum Thema „Denkmalkultur in Deutschland“ im Berliner „Tränenpalast“ am S-Bahnhof Friedrichstraße hat Monika Grütters (CDU), die Kulturstaatsministerin des Bundes, am Montagabend versucht, die Debatte um ein „Einheitsdenkmal“ in der Hauptstadt neu zu starten.

 

Man erinnert sich: Seit rund zwanzig Jahren versucht das vereinte Deutschland, mit einem Gedenkort an die friedliche DDR-Revolution von 1989 zu erinnern. Im vergangen April gab es dann ein sehr überraschendes Aus für den eigentlich längst und allseits beschlossenen Entwurf des Stuttgarter Büros Milla & Parner, die „Einheitswippe“, unmittelbar vor Baubeginn. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte Kostensteigerungen von rund 4,6 Millionen Euro entdeckt und stoppte das Projekt – offenbar maßgeblich auf Betreiben der Kulturstaatsministerin, die den Haushältern die Mehrkosten aufgelistet hatte. Um den Rückschritt trotzdem als Fortschritt verkaufen zu können, folgte nun der Ruf nach Expertenrat.

Experten äußern sich zum Projekt

Illustre Gäste waren geladen, die mühelos einige längst bekannte Positionen zu Protokoll geben konnten. Christopher Clark, der britische Historiker, lobte „die Deutschen“ für ihre Gründlichkeit („diese tiefe Reflexion, das ist wirklich einmalig“); Christoph Stölzl, der langjährige Direktor des Deutschen Historischen Museums, erkannte das Grundproblem im Verlust von Herrschersymbolen („Früher bestellte der König einfach eine Victoria“).

Weiter führte da schon das Votum von Anna Kaminsky, der Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Sie erinnerte an den erbitterten Streit um den Entwurf von Peter Eisenman für das Holocaust-Mahnmal: „Die Vorstellung des Stelen-Feldes hat viele anfangs überfordert.“ Heute sei der Ort auch in seiner Ästhetik weltweit anerkannt. Womöglich ein Hinweis, dass auch das jahrelange Herumkritteln an der riesigen, eleganten, von Bürgern einzeln oder in Gruppen begehbaren und so in behutsame Bewegung zu versetzenden Demokratie-Platte von Johannes Milla und Sebastian Letz häufig sehr schlicht gestrickt war?

Projekt soll kein Rohrkrepierer werden

Am spannendsten aber war wohl die Äußerung von Siegmund Ehrmann. Der SPD-Abgeordnete ist Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien und beklagte die Vorgänge im Haushaltsausschuss: „Es ist das Parlament, das entscheidet. Wir sind der Souverän. Und deshalb sollten wir das nicht wie einen Rohrkrepierer in sich zusammenfallen lassen“.

Hinter den Kulissen gab es in den vergangenen Wochen viel Unmut über den rein instanzentechnisch zwar korrekten, politisch aber recht klandestin eingefädelten Todesstoß für die „Einheitswippe“. Das Stuttgarter Büro Milla und Partner hat sich in einem Papier heftig gegen den Vorwurf „dramatischer, unvorhergesehener Kostensteigerungen“ gewehrt und weitaus niedrigere, vor allem längst bekannte Zusatzausgaben dokumentiert.

Johannes Milla stünde weiter bereit

Wichtiger als das Geld dürfte aber ohnehin der Wunsch von Monika Grütters gewesen sein, das Einheitsdenkmal nicht am gerade neu entstehenden Humboldt-Forum, sondern am Brandenburger Tor platzieren zu wollen. Johannes Milla meint: „Aber das Tor ist ein Zeichen für die Mauer, nicht für die Einheit“. Und Sebastian Letz, der Architekt: „Unser Denkmal ist wohl das erste weltweit, das nicht zum passiven Betrachten errichtet wird, sondern die Menschen aktivieren soll“. Ob aber nach dem Urteil der Haushälter die Debatte noch einmal geöffnet werden kann? Milla stünde bereit. Doch die Regeln des politischen Betriebes sprechen dagegen.