Droht in Herrenberg ein Monopol christlich geprägter Altersheime? Manche befürchten das. Die Diakonieschwestern halten dagegen: Atheisten oder Muslime seien hier ebenfalls gut aufgehoben.

Herrenberg - Wenn im Herrenberger Seniorenzentrum Wiedenhöfer-Stift ein Bewohner stirbt, wird eine Kerze für ihn angezündet. Eine Ecke im Erdgeschoss der Einrichtung ist dem Gedenken gewidmet: in einer Mappe sind Blätter abgeheftet, auf jedem steht der Name und die Lebensgeschichte eines früheren Bewohners. An der Fensterfront sind farbige Glasmalereien angebracht, die Szenen aus dem Leben Jesu darstellen.

 

Die christliche Symbolik der Gedenkecke ist offensichtlich. Im übrigen Teil des Wiedenhöfer-Stifts ist das anders: in den Fluren hängen keine Kreuze an der Wand, sondern Bilder, die die Bewohner selber gemalt haben: Stillleben mit Blumen oder Szenen aus ihrem Leben wie die Geburt ihres Kindes. Das alles wäre nur für die Senioren und ihre Angehörigen von Interesse, wenn in Herrenberg vor einigen Wochen nicht eine Diskussion um die Altenpflege entbrannt wäre. Das Wiedenhöfer-Stift betreibt die evangelischen Diakonieschwesternschaft, die im Stadtteil Kuppingen ein weiteres Altenheim unterhält und kürzlich den Zuschlag für eine Einrichtung im Teilort Gültstein erhalten hat. Der SPD-Stadtrat Günter Achilles kritisierte, dass die Stadt nur bereits etablierte Anbieter angefragt habe – neben der Diakonieschwesternschaft das Rote Kreuz, das in Herrenberg ebenfalls ein Seniorenzentrum betreibt. „Die Welt ist heute viel bunter, auch in Herrenberg leben inzwischen Muslime und Agnostiker“, sagte er.

Die Bewohner heißen Gertrud und Richard, nicht Hatice

Doch die Verantwortlichen der Diakonieschwesternschaft sehen das nicht als Widerspruch. „Bei anderen diakonischen Einrichtungen habe ich erlebt, dass sich Muslime bewusst für einen christlichen und keinen weltanschaulich neutralen Träger entschieden haben“, sagt Heidrun Kopp, die Oberin der Schwesternschaft. „Sie schätzen es eben, dass Religion bei uns eine Rolle spielen darf“, ergänzt Ulrike Nuding, die Pfarrerin der Schwesternschaft.

Pflegeexperten erwarten, dass die Bedürfnisse von älteren Migranten künftig eine größere Rolle spielen werden. Auch in Herrenberg gibt es eine große türkischstämmige Gemeinschaft, viele ihrer Mitglieder sind bereits in Deutschland geboren und werden vermutlich auch ihren Lebensabend hier verbringen wollen.

Doch das ist Zukunftsmusik. Die verstorbenen Heimbewohner, an die in der Gedenkecke erinnert wird, hießen Gertrud, Richard oder Rosl. Namen wie Cem oder Hatice finden sich dort bislang nicht. „Wenn es entsprechende Anfragen gäbe, ließe es sich aber sicherlich einrichten, dass die Küche auch Gerichte nach muslimischen Speisevorschriften zubereitet“, sagt Hildegard Herter, die Pflegedienstleiterin des Wiedenhöfer-Stifts.

Wenn Priester und Imam zu Besuch kommen

Im Konzept der Schwesternschaft für das Gültsteiner Pflegeheim ist bei Bedarf eine „Wohngruppe für türkischstämmige Mitbürger“ vorgesehen, die „Mitarbeitende der entsprechenden religiösen und sprachlichen Gruppe“ betreuen könnten. „Wenn ein muslimischer Bewohner verstirbt und die Familie beispielsweise die Totenwache halten möchte, muss man dafür sensibel sein“, sagt Nuding. Bislang stellen sich solche Fragen nur in der Theorie.

Bei den christlichen Feiern sind die Rituale eingespielt: im Seniorenzentrum werden Feste wie Weihnachten, Ostern und Erntedank begangen. Einmal wöchentlich findet ein evangelischer Gottesdienst vor Ort statt, der katholische Priester kommt einmal im Monat. Sonntags wird der Gottesdienst aus der Mutterhauskirche der Schwesternschaft in die Zimmer des Pflegeheims übertragen – bislang per Radio, bald auch auf einen Fernsehbildschirm. Würde für zukünftige muslimische Bewohner des Pflegeheimes das Freitagsgebet aus einer Herrenberger Moschee übertragen? „Das müssten wir dann überlegen“, sagt Ulrike Nuding. „Aber es gibt Seniorenzentren, in denen beispielsweise der Imam einmal im Monat vorbeikommt.“