Sieben Arbeitskreise haben sich mit dem Projekt Nationalpark im Nordschwarzwald befasst und in Freudenstadt ihre Ergebnisse präsentiert. Ihr gemeinsamer Nenner: ein Schutzgebiet muss nicht nur der Natur, sondern auch den Menschen nützen.

Freudenstadt - Mit gellenden Pfiffen ist der Minister Alexander Bonde (Grüne) von Gegnern des Nationalparks vor dem Kurhaus in Freudenstadt empfangen worden. Ein Nationalpark sei „Holzvernichtung“ hielten sie ihm auf Transparenten entgegen, das von der Landesregierung beauftragte „Gutachten stinkt jetzt schon“. Gerade einmal 150 Menschen waren dem Protestaufruf der „Interessengemeinschaft Unser Nordschwarzwald“ gefolgt, die von Grün-Rot die Politik des „Gehörwerdens“ einfordert. Etliche wollten dieser Forderung Nachdruck verleihen und warfen dem Minister Schneebälle hinterher, die ihr Ziel aber verfehlten.

 

Der Region Gehör verschafft haben dagegen sieben Arbeitskreise, die dem Minister gestern ihre Ergebnisse präsentierten. Sie fordern mehr Mitsprache der Region beim geplanten, rund 10 000 Hektar großen Nationalpark im Nordschwarzwald. Dieser dürfe nicht nur der Natur, sondern er müsse auch den Menschen nützen, außerdem Vorteile bringen beispielsweise für die Wirtschaft und den Tourismus.

Mehr als 150 Vertreter aus der Region, darunter Landräte, Bürgermeister, Naturschützer, Fachleute aus Industrie, Wirtschaft und Tourismus haben sich mehrere Monate lang mit den Folgen eines Nationalparks beschäftigt. Das seien die vorgegeben „Leitplanken“ gewesen, machte der Baiersbronner Bürgermeister Michael Ruf deutlich, der Sprecher des mit 43 Fachleuten besetzten größten Arbeitskreises Infrastruktur. „Das Ob wurde nicht diskutiert.“ Etliche Mitglieder legten Wert auf die Feststellung, dass ihre Mitarbeit nicht als „automatische Zustimmung“ zu einem Nationalpark missdeutet werden sollte, sagte Ruf. Das betreffe insbesondere Vertreter der Säger und der Holz verarbeitenden Betriebe. „Holz sei ein wertvoller Rohstoff, der nachhaltig genutzt werden sollte.“

Online-Mitsprache nicht genutzt

Als „wichtige Etappe auf dem Weg zu einer Entscheidung“ bezeichnete Minister Bonde die Präsentation der regionalen Arbeitskreise, die Daten, Fakten, Analysen „in beeindruckender Dichte“ zusammengetragen hätten. Zudem habe es die Möglichkeit für die breite Öffentlichkeit gegeben, sich via Internet an den Arbeitskreisen zu beteiligen. Diese Form der Mitarbeit wurde jedoch erstaunlich wenig genutzt: Nicht einmal 50 Fragen und Anregungen kamen zu den insgesamt 21 Sitzungsprotokollen der sieben Arbeitskreise.

Das Gutachten soll Ende März vorliegen. Auf „ausdrücklichen Wunsch“ der Landräte von Calw, Freudenstadt, Rastatt und der Ortenau sowie des Oberbürgermeisters von Baden-Baden soll es direkt nach Ostern vorgestellt und in der Region diskutiert werden. Damit werde die bisher in Baden-Württemberg einmalige Form der Bürgerbeteiligung fortgesetzt, betonte der Minister. Die von etlichen Kommunen angekündigten Bürgerbefragungen zu diesem Thema seien ein „legitimes Mittel“ jeder Kommune. Die Abstimmung über ein Nationalparkgesetz jedoch obliege wie bei jedem Gesetzgebungsverfahren dem Landtag, stellte Alexander Bonde noch einmal klar. „Das ist Aufgabe des Landes.“

Lob für engagierte Arbeit der Experten aus der Region

Hoch zufrieden zeigte sich der naturschutzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Thomas Reusch-Frey, über die ermutigenden Zwischenergebnisse. Ein Nationalpark sei ein Gewinn für die ganze Region. Unterstützung für einen Nationalpark signalisierte auch der Landesverband der Forstleute. Die engagierte Arbeit in den Arbeitskreisen habe zur Versachlichung beigetragen. „Heute ist kein Tag zum Demonstrieren“, sagt der Landeschef des Naturschutzbundes Nabu, Andre Baumann. Statt dessen hatten Nabu-Mitglieder Dankeskärtchen an die Experten der Arbeitskreise verteilt. Eine so weitreichende Einbindung der Menschen aus der Region kenne er aus keinen anderen Nationalpark-Diskussionen.

Welche Ideen und Forderungen die sieben Arbeitskreise präsentieren, sehen Sie auf den folgenden Seiten.

Arbeitskreis Infrastruktur

Für den Arbeitskreis Infrastruktur ist klar: Der Nationalpark muss einen Mehrwert für alle Wirtschaftszweige bringen. Gefordert wird eine „echte paritätische Mitbestimmung“ der Region gegenüber einer Nationalparkverwaltung, ein detailliertes Organigramm wurde mit den Arbeitskreisen Tourismus und Naturschutz erarbeitet. Es müsse mindestens drei Eingangsportale mit „Erlebnischarakter“ geben, deren Besuch ein „Muss“ für den Gast sei.

Arbeitskreis Tourismus

Für den Arbeitskreis Tourismus ist das „Wildtier-Erlebnis“ wichtig. Das können Beobachtungsposten in der Kernzone des Nationalparks sein und ein Wildtier-Großgehege am Rande, das safariähnliche Besuche erlaube. Die Entwicklungsmöglichkeit von Wanderwegen, Loipen, Skiliften oder Mountainbike-Strecken müsse ebenso gewährleistet sein wie die von Hotels, die als „Insel“ mitten im Park lägen. Beifall erhielt die Sprecherin Vera Haueisen, als sie von einer großen Chance sprach, die die Region nach vorne bringe, auch wenn klar sei, dass ein Nationalpark dem Naturschutz diene und keine touristische Fördermaßnahme sei. Dennoch könne ein Nationalpark für eine „nachhaltige Identität und ein Markenbewusstsein“ sorgen – als „Die Drei-Generationen-Genussregion“ oder als „Der wilde Schwarzwald mit dem echten Genuss“. Immerhin gebe hier etliche Fünf-Sterne-Hotels.

Arbeitskreis Zusammenarbeit Naturpark/Nationalpark

Ein Gesamtverkehrskonzept unter Einbeziehung des öffentlichen Nahverkehrs steht für den Arbeitskreis Zusammenarbeit Naturpark/Nationalpark ebenfalls im Vordergrund. Beide Organisationen könnten sich in ihren Zielen ergänzen. Die Qualität der Zusammenarbeit hänge jedoch von den personellen und finanziellen Ressourcen und einer klaren Aufgabendefinition ab. Für eine solche Kooperation „auf Augenhöhe“ aber brauche auch der 375 000 Hektar große Naturpark mehr Personal und Mittel. Vorsorglich wurde angeregt, für Streitfragen eine Schlichtungsstelle einzurichten.

Arbeitskreis Wildtiermanagement

Sicher gestellt werden müsse der Schutz der Anrainer vor Wildschäden. fordert der Arbeitskreis Wildtiermanagement. Er regt ein Wildtiermonitoring im Nationalpark und den angrenzenden Wäldern auf wissenschaftlicher Basis an. Die Beobachtung von Wildtieren, auch in Gehegen, findet Unterstützung.

Arbeitskreis Auerhuhn

Laut dem Arbeitskreis Auerhuhn liegt das Hauptverbreitungsgebiet des Waldvogels in dem geplanten Nationalpark. Für dessen Lebensräume gebe es ein Verschlechterungsverbot. Aufgrund des Klimawandels und der Waldentwicklung im Nationalpark sei eine Beurteilung der Lebensraumentwicklung aber schwierig.

Arbeitskreis Naturschutz und Biodiversität

Im Arbeitskreis Naturschutz und Biodiversität stand im Vordergrund: so viel menschlicher Eingriff wie nötig, so viel ungestörte Entwicklung wie möglich.

Arbeitskreis Waldumbau/Borkenkäfer

Der Arbeitskreis Waldumbau/Borkenkäfer hält Pufferzonen zu den angrenzenden Wirtschaftswäldern von 500 bis 1000 Meter für notwendig. Der Borkenkäfer müsse auch außerhalb des Nationalparks konsequent bekämpft werden.