Verwaltung und die Gemeinderatsmehrheit setzen weiter auf verdichtetes Bauen in der Stadt und sehen sich damit im Einklang mit dem Bürgerwillen. Der SPD-Fraktion geht das Wohnungsbaukonzept nicht weit genug, SÖS-Linke-Plus wollen die Stadt selbst als Bauherr sehen.

Stuttgart - Die Stadt wird den Anteil geförderter Wohnungen auf sechs großen innerstädtischen Bau- und Entwicklungsflächen auf insgesamt 80 Prozent erhöhen, um der großen Nachfrage nach günstigem Wohnraum zu begegnen. Dadurch können pro Jahr etwas mehr als 300 neue Sozialwohnungen gebaut werden.

 

Im sogenannten Bündnis für Wohnen, das OB Fritz Kuhn (Grüne) auf Initiative der SPD-Fraktion ins Leben gerufen hatte, haben sich Wohnungswirtschaft, Sozialverbände und Verwaltung zudem darauf verständigt, dass Unternehmen und Genossenschaften pro Jahr 100 Bestandswohnungen zu Sozialwohnungen umwandeln. Bei der stadteigenen SWSG sollen es 50 sein.

Zusammen mit der Erhöhung des Sozialwohnungsanteils bei neuen Baugebieten ergebe sich ein leichter Anstieg beim sozialen Mietwohnungsbau, sagt Kuhn.

Für den Rathauschef ist das ein „Durchbruch“ in der Wohnungspolitik, den Sozialdemokraten dagegen ist es viel zu wenig. Und die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus möchte, dass die Stadt selbst Wohnungen baut.

Bei der Vorstellung des Papiers, das im Bündnis für Wohnen mit 36 Jastimmen bei drei Gegenstimmen – offenbar aus der privaten Bauträgerbranche – verabschiedet wurde, betonte Kuhn am Freitag im Wohnungsausschuss des Gemeinderats, es sei gelungen, den Genossenschaften den Wiedereinstieg in den sozialen Wohnungsbau schmackhaft zu machen. Obwohl pro Jahr rund 450 Wohnungen aus der Sozialbindung fallen, werde nun ein langsamer, aber stetiger Aufbau des Bestands eingeleitet.

Die Bauträger haben sich nämlich zudem verpflichtet, auf eine vorzeitige Rückzahlung von Förderdarlehen zu verzichten, um bestehende Sozialbindungen zu erhalten. Im Gegenzug erhalten sie von der Stadt verbilligte Grundstücke. Mitfinanzierungen sowie weitere Zuschüsse wurden in Aussicht gestellt. Die Stadt wiederum setzt künftig unter anderem auf dem Feuerbacher Schoch-Areal, im Neckarpark oder am Bürgerhospital mehr geförderten Wohnraum als bisher geplant fest (60 Prozent).

Die Belegung mit Sozialmietern kann allerdings mittelbar erfolgen: Der Bauträger muss die Hälfte der Sozialmieter in seinem eigenen Wohnungsbestand andernorts unterbringen. Weitere 20 Prozent der Wohnungen fallen in das Programm Preiswertes Wohneigentum für junge Familien, der Rest steht dem frei finanzierten Wohnungsbau zur Verfügung.

OB: „Es geht um Wachstum nach Stuttgarter Maß“

Zugleich übten Kuhn und Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) scharfe Kritik an der Interpretation einer jüngst von einer großen Bausparkasse in Auftrag gegebenen Umfrage, wonach eine Mehrheit der Bürger die Siedlungspolitik des Gemeinderats nicht unterstützt. Er halte es für „grundfalsch, auf den Acker zu gehen“, sagte Kuhn. Vergleiche mit anderen deutschen Großstädten seien aufgrund der durch Stuttgarts topografische Lage bedingten Klimaproblematik unstatthaft. „Bei uns geht es um Wachstum nach Stuttgarter Maß.“ Der Baubürgermeister sekundierte: „Die Studie wurde völlig falsch interpretiert.“ 82 Prozent der Befragten hätten sich darin gegen die Bebauung kommunaler Grünflächen ausgesprochen. Dies bestätigte klar den Kurs der Stadt und der Gemeinderatsmehrheit, wonach die Innenentwicklung Vorrang haben soll.

Während CDU und Grüne das erzielte Ergebnis im Bündnis für Wohnen und die Planungen der Stadt für den Wohnungsbau lobten, erneuerte SPD-Fraktionschef Martin Körner seine Fundamentalkritik. Das vom OB vor drei Jahren ausgegebene Ziel, 1800 Wohnungen pro Jahr zu bauen, sei zu wenig ambitioniert; die SPD fordert eine Zielvorgabe von 2500 pro Jahr. Körner forderte den OB auf, das Konzept Innen- vor Außenentwicklung auf den Prüfstand zu stellen. Noch schärfer ging Linken-Stadtrat Thomas Adler mit der Wohnungsbaupolitik ins Gericht: Er geißelte den Verkauf städtischer Grundstücke an private Investoren und forderte einmal mehr, die Stadt möge sich auf ihren eigenen Flächen selbst als Bauherr betätigen. Da die Mietpreisbindung irgendwann entfalle, handele es sich um eine Art „soziale Zwischennutzung“, die aber dem Bedarf nach günstigem Wohnraum langfristig nicht gerecht werde.

Linke kritisiert fehlende Nachhaltigkeit bei Sozialwohnungen

Kuhn konterte auf die ihm eigene Art: „Wenn ich Sie reden höre, Herr Körner, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Wenn ich dann Herrn Adler gehört habe, bin ich wieder ganz zufrieden mit Ihnen.“ Er betonte, die Stadt könne nicht gegen den Preisanstieg bei Immobilien ansubventionieren, sondern müsse das ihre tun, um ein Mindestmaß an bezahlbarem Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Der OB betonte aber auch: „Nicht allen Menschen, die gerne nach Stuttgart kommen wollen, können wir eine Wohnung anbieten.“ Am Ende stimmte auch die SPD für das Konzept – die SÖS/Linke-plus votierte dagegen.