Ministerpräsident Kretschmann preist seine grün-schwarze Koalition als Muster. Doch die Opposition entdeckt darin nur wenig Nachahmenswertes.

Stuttgart - Die Jamaika-Koalition in Berlin ist passé, und Ministerpräsident Winfried Kretschmann bedauert dies außerordentlich, doch als Gegenbild zu seinem Regierungsbündnis im Land ist ihm das Scheitern durchaus dienlich. „Wir, Grüne und CDU, haben uns damals nicht weggeduckt, sondern demokratische Reife gezeigt“, sagte er bei der Generalaussprache zum Staatshaushaltsplan 2018/2019. „Und wir arbeiten seither ausgezeichnet zusammen und zeigen, wie gut eine Koalition über Lagergrenzen hinweg funktionieren kann.“ Auch in Berlin wäre eine Einigung seiner Ansicht nach möglich gewesen, „wenn alle gewollt hätten“. Das Jamaika-Aus sei nun ein Problem für Deutschland und für Europa.

 

Kretschmann stilisierte das grün-schwarze Bündnis geradewegs zum Muster einer Regierung, „weil wir das Beste beider Welten verbinden und daraus etwas Neues machen“. Es reiche für das Land nicht, „bloß unbeschadet über die Runden zu kommen“ angesichts von Digitalisierung, Migration und Globalisierung. Man müsse den Wandel vielmehr aktiv gestalten, sagte Kretschmann und machte dies an gewichtigen Etatposten fest: vom Pakt für Integration über den Ausbau der Ganztagsschulen bis hin zur Personalaufstockung bei der Polizei. Der Haushalt stehe „für mutiges Gestalten, für Verlässlichkeit und Ordnung und Orientierung“.

Niedrige Zinsen oder hohe Regierungskunst?

Auch der Opposition diente die gescheiterte Jamaika-Koalition als Folie – allerdings für ihre grundsätzliche Kritik an Grünen und CDU. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch vermisst zum Beispiel Initiativen gegen die Wohnungsnot, den Niedergang des Bildungsniveaus und das Auseinanderdriften der Gesellschaft. „Die Grünen schließen die Entwicklung neuer Baugebiete aus, da sie auf Seiten derjenigen stehen, die ihre Schäfchen im Trockenen haben“, sagte der frühere Kultusminister unter dem Protest seines früheren Regierungspartners. Die CDU hingegen glaube, der Markt werde das schon irgendwie richten. Fragen des sozialen Zusammenhalts würden jedenfalls weder von Jamaika noch von Grün-Schwarz beantwortet.

Stoch, der als Befürworter einer großen Koalition in Berlin bekannt ist, bezeichnete Kretschmanns Definition der Jamaika-Koalition als „Bündnis der bürgerlichen Mitte“ als anmaßend: „Sind denn alle anderen Menschen, die sich zu keiner dieser Parteien hingezogen fühlen, nicht bürgerlich? Die Bürgerrechte, Herr Ministerpräsident, sind nicht davon abhängig, ob Ihnen die politische Gesinnung der Menschen gefällt oder nicht.“ Und was die guten Kennzahlen des Landeshaushalts betrifft – hohe Investitionen, keine Kredite und sogar eine halbe Milliarde Euro Tilgung –, so führt Stoch dies einzig und allein auf hohe Steuereinnahmen und niedrige Zinsen zurück: „Das ist kein Ausdruck hoher Regierungskunst.“

AfD: Ein „Verschwendungshaushalt“

So sehen es auch AfD und Liberale. Fünf Jahre ohne neue Schulden, dafür habe die Regierung nichts getan, „außer aktiv auf die nächste Steuerschätzung zu warten“, sagte AfD-Fraktionschef Bernd Gögel. Ein „Verschwendungshaushalt“ habe Grün-Schwarz vorgelegt, und in diesem auch noch die falschen Schwerpunkte gesetzt. Auf Familien mit Kindern, auf die Verkehrsinfrastruktur und auf die Rückführung illegaler Einwanderer werde jedenfalls viel zu wenig Wert gelegt. Auch sein FDP-Kollege Hans-Ulrich Rülke kritisierte, der Plan der Landesregierung bestehe einzig und allein aus Geldausgeben: „Der „Schluck aus der Pulle ist Prinzip.“ Innerhalb von acht Jahren sei das Haushaltsvolumen von 35 auf 52 Milliarden Euro angewachsen.

Dass Jamaika scheiterte, macht Rülke nicht zuletzt an Kretschmann fest. Der hätte sich kooperationsbereiter zeigen sollen, vor allem in der Frage, ob der Bund in die Bildungspolitik der Länder eingreifen darf (was Kretschmann vehement ablehnt). Die Länder könnten doch die Milliardenhilfe des Bundes in eigener Kompetenz verteilen, ohne gleich einen Bundesbildungsminister fürchten zu müssen, meint Rülke. Doch Kretschmann habe „Fundamentalopposition“ betrieben.

Von seinen Regierungsfraktionen erhielt der Ministerpräsident hingegen Rückendeckung. Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz sagte, das Haus Baden-Württemberg werde jetzt „noch sicherer, noch schöner und noch stabiler“. Sein CDU-Kollege Wolfgang Reinhart ergänzte, das Land werde „noch stärker, noch attraktiver und noch lebenswerter“.