Deep Purple hat in der Stuttgarter Schleyerhalle Hardrock gespielt. Die Band ist ja auch der Vorreiter dieses Genres.

Stuttgart - So manches Doppelkinn schlottert da zu hartem Riff, das eine oder andere Haar scheint grau geworden, aber die Helden sind noch gut zu erkennen: der Bassist Roger Glover mit dem um den Kopf gewundenen Piratentuch, der Schlagzeuger Ian Paice mit der komischen Endsechziger-Retro-Sonnenbrille und Ian Gillan, jetzt als Schwerstarbeiter mit dem Habitus eines Maurerpoliers: Drei von fünf sind Deep Purple wie seit eh und je, auch wenn sie nicht alle Gründungsmitglieder sind.

 

Die Gründung geht auf das Jahr 1968 zurück, die Band wurde damals vom kürzlich verstorbenen Tasteninstrumentler Jon Lord ins Leben gerufen. Kein einziges Wort an diesem Abend in der Schleyerhalle über den heimgerufenen Tastenkönig und einstigen Kapellmeister. Deep Purple muss auch ohne sentimentale Grüße weitergehen, Deep Purple steht im fünften Jahrzehnt des Bestehens, unterbrochen zwar von Pausen, die im Rückblick aber fast schon klein und unbedeutend erscheinen. Deep Purple ist eine Institution im Rock, spätestens seit dem Album „in Rock“ von 1970. Zuvor hatten sie schon Klassik und Rock neu zusammengeführt, aber danach sollten sie das ganz große Rad drehen, als Erfinder des Hardrock, so, wie er heute noch populär ist.

Jeder scheint ersetzbar

Steve Morse, dieser ewige Jungspund, kam vor etwas weniger als zwanzig Jahren hinzu und ersetzte den legendär prägenden Gitarristen Ritchie Blackmore. Eine Zeitenwende bei den Purples. Seit der Kleinigkeit von zehn Jahren müht sich am Spieltisch der Orgel und anderer Tasteninstrumente Don Airey. Im jetzigen Alter von 64 Jahren ist er der neueste Neuling also. Doch ist das noch Deep Purple? Sind sie die einzigen und wahren Könige des Hardrock? Identität in der Rockmusik ist ein schwieriges Thema. Jeder scheint ersetzbar. Deep Purple, achte Ausgabe.

Sie starten an diesem Abend mit dem Titel „Fireball“ und setzen gleich „Into the Fire“ hinzu. Vom Äußeren her mögen die fünf gelegentlich so wirken, aber arg gemütlich ist ihr Sound immer noch nicht. Das donnert herb und formiert sich schnell zum typischen Sound. „Hard loving Man“ hetzt gleich hinterher, Gillan zitiert sich selbst als jungen Mann gar nicht mal so schlecht, wie er heutzutage oft gemacht wird. Dieses allzu Juvenile von damals versucht er ins Virile kippen zu lassen: ein alter Trick gestanden reifer Männer. Bis zum Clint Eastwood der Rockmusik sind es ohnehin noch ein paar Jährchen hin.

Der Beifall ist herzlich bis euphorisch

Er kämpft verbissen um jeden Ton und versucht, es gelassen gekonnt aussehen zu lassen. Es scheint ja fast so, als sei das letzte Facelifting bei ihm in die Jahre gekommen, verrutscht, was einen wackeren Frontmann wie ihn nun aber auch nicht mehr stören würde. Voran, immer weiter voran, die Walze rollt weiter. Der Beifall der 10 000 ist durchweg sehr herzlich bis euphorisch und lobt diesen vorweihnachtlichen Tag der Begegnung. „The Battle rages on“ und dann „Contact lost“ vom späten Album „Bananas“. So etwas ist vom klassischen Purple-Publikum eigentlich nicht ganz akzeptiert und bringt Steve Morse weit in den Vordergrund. Ach, er mag als einer der weltbesten E-Gitarristen gelegentlich etwas unterfordert wirken, aber er macht seine Sache ja so gut, er ist ein würdiger In-die-Stapfen-Treter, ein Profi und ein Ass. Er lässt diese Band wie Deep Purple klingen und er wahrt gleichzeitig seine Identität. Er kann das, macht’s mit einem breiten Grinsen.

Jeder darf mal solo ran an diesem Abend und entwickelt seine typische Rolle. Airey übertreibt mit seinem effekthascherischen Geklimper und Georgel etwas. Und Gillan muss ja ohnehin dauernd den hysterischen Blähhals im Vordergrund geben. Der Titel „Child in Time“ wird clever ausgespart an diesem Abend, das schont die Stimme immerhin etwas und minimiert das Blamagenrisiko. „Perfect Stranger“, „Space Truckin’“ und dann, zum guten Schluss, donnert „Smoke on the Water“, eines der bekanntesten Riffs der Rockmusik überhaupt. Hunderttausendmal gehört, von jedem Gitarristen dieser Welt probiert – trivial, platt, verschlissen. Trotzdem absolute Gänsehaut. Wie die Rhythmusgruppe rollt, wie das Solo winselt, wie sich da alles zu allem steigert! Unwiderstehlich ist das. Ein Kracher!

Deep Purple sein reicht locker

Als Zugabe jammen sie ein bisschen um den Titel „Speed King“ herum, zeigen musikalisch die Parallelen zu den alten Rock’-n’-Roll-Heulern auf und spielen auch das live selten gehörte „Hush“ aus der Gründerzeit der Band. Sie könnten mit ihrem vielen Material gut und gerne zwei weitere Abendprogramme füllen, muss nicht sein. Sie müssen ohnehin nichts. Sie sind Deep Purple. Das reicht.