Vincent Klink versucht, in seiner Degerlocher Küche ohne Allüren zu regieren. Er sieht es sportlich: „Ein Trainer ist nichts ohne sein Team“, sagt er. Trotzdem ist und bleibt er ein Starkoch. Wenn er frei hat, kocht seine Frau.

Plieningen - Es gibt Menschen, die strahlen Autorität aus, selbst wenn sie einem nur mit einer Tasse Milchkaffee gegenübersitzen. Vincent Klink gehört dazu. Nebenan in der Küche seines Restaurants Wielandshöhe haben die Köche kurz nach 10 Uhr bereits begonnen, Gemüse zu schneiden oder Brotteig zu kneten. Klink blickt derweil in seinem Büro auf den Laptop vor ihm, während die Durchgangstür zur Küche offen steht.

 

Auf dem Bürostuhl wirkt er wie ein Fußballtrainer auf der Bank, und so versteht er auch seine Aufgabe. „Ein Trainer ist eben nichts ohne sein Team“, sagt er. Er erzählt, dass er mit seinen 65 Jahren schon längst nicht mehr allein am Herd steht. Das hört sich bei ihm so an, als wäre er eigentlich gar nicht so furchtbar wichtig. Ist das bloß falsche Bescheidenheit aus dem Mund des berühmten Sternekochs?

Klink hat jetzt schon ein paar Stunden Arbeit hinter sich, während seine Mitarbeiter gerade erst anfangen in der Restaurantküche das Mittagessen vorzubereiten. Der Küchenmeister ist zudem Autor und Verleger. Auch im Fernsehen tritt er auf.

Langer Arbeitstag n der Sterneküche

Morgens um 5 Uhr ist er deshalb aufgestanden, um sein Arbeitspensum für seine zahlreichen andere Tätigkeiten vor dem Hauptjob als Küchenchef zu erledigen. Dabei wird sein Tag auch erst spät enden. Von 10 bis 14 Uhr dreht sich in der Restaurantküche alles ums Mittagessen. Nach einer mehrstündigen Pause geht es um 17 Uhr mit den Vorbereitungen für das Abendessen weiter. Um 22 Uhr ist die zweite Schicht zu Ende. „Wir schauen dann, dass der Laden wirklich bis 22.30 Uhr leer ist und alle Mitarbeiter in den Feierabend gehen“, sagt Klink.

Wer nach einer so kurzen Nacht schon um fünf Uhr aufsteht, hat seinen Kaffee mehr als verdient. Doch Vincent Klink wirkt gar nicht müde. Immer wieder treten seine Mitarbeiter aus der Küche in das Büro ein. Der eine holt einen Mixer, der sich hierher verirrt hat. Der andere fragt um Rat wegen eines Nachtischs. Auch Klinks Frau schaut vorbei und sagt kurz Hallo. Elisabeth Klink betreibt mit ihrem Mann die Wielandshöhe. Klink nennt sie „Chefin“, und es klingt nicht nach einem Scherz zwischen Eheleuten. „Sie sagt mir ganz offen, wenn ihr etwas nicht schmeckt“, sagt Vincent Klink. Auf der anderen Seite ist es aber seine Frau, die für ihn an seinen freien Tagen kocht. „Glauben Sie, dass ich mich in meiner Freizeit auch noch an den Herd stelle? Meine Frau kann auch ganz gut kochen“, sagt Vincent Klink.

Er gehört nicht zu den Köchen, die sich damit brüsten, dass sie privat am liebsten einfache Kost mögen, weil sie sich am guten Essen längst satt gegessen hätten. Klink erklärt auch, warum. Das mit der Übersättigung entstehe, wenn zu viele Geschmackskomponenten die Sinne überreizen würden. „Bei mir gibt es pro Gericht dagegen nur drei. Spaghetti mit Tomatensoße schmeckt mehrmals pro Woche gut, Spaghetti mit irgendeiner ausgefallenen Soße will niemand Tag für Tag essen.“

Klink steht mit Rat und Tat zur Seite

Um kurz nach elf ist es Zeit für Vincent Klink, einen Rundgang durch die Küche zu machen. Um im Bild zu bleiben, muss die Fußballmannschaft jetzt spüren, dass der Trainer da ist, wenn sie aufs Spielfeld hinaus muss. Klink probiert im Vorbeigehen die Soßen und Suppen, die auf dem Herd in Töpfen brodeln oder probiert etwas von dem noch ofenwarmen Brot, das mit Mehl aus dem Elsass gebacken wird.

Er schaut einem der zehn Köche der Restaurantküche über die Schulter, wie dieser versucht, die Fettschicht von einem Schweinefilet zu entfernen. „Darf ich mal?“ fragt er, nimmt ein Messer und schabt das Fett herunter, anstatt es abzupulen wie sein Mitarbeiter. Dann geht er weiter zur Eismaschine. In der Schleuder soll ein Haselnusseis entstehen. Er nimmt einen Löffel und probiert etwas von der Masse. „Das wird nicht cremig“, sagt er. Der Auszubildende, der das Eis für das Dessert zum Mittagessen schleudert, schaut unglücklich aus. Er zählt auf, welche Zutaten er verwendet hat. „So stand es im Rezept“, sagt er. Das ist eine Antwort, mit der Klink wenig anfangen kann. Er erklärt stattdessen, warum das Eis bei der Zusammensetzung nichts werden kann. „Haselnussöl ist reines Fett, das geht mit den Wasserkristallen nicht zu einer Creme zusammen“, sagt er.

Ein neues Eis soll nun angesetzt werden, bei dem das Haselnussöl erst zu dem Vanilleeis hinzugefügt werden soll, wenn es bereits schön cremig gerührt ist. Obwohl es fast zwölf Uhr ist und die Gäste bald vor der Tür stehen, erklärt der Küchenmeister ruhig, was jetzt zu tun ist. Für Vincent Klink ist die Sache damit erledigt, er geht weiter. „Bringt ja nichts zu schimpfen. Fehler passieren eben jeden Tag“, sagt er, als der junge Mann außer Hörweite ist. Vincent Klink glaubt fest daran, dass die Psychologie mit entscheidet, ob ein Gericht gelingt oder nicht. Ist die Stimmung in der Küche eisig, könne nichts mit Liebe gebacken oder gekocht werden, sagt er. Klink bemüht sich deshalb, das eigene Ego im Zaum zu halten. So wenig Machogehabe an den Tag legen wie möglich, nennt er das, und es erklärt, warum Klink seine Bedeutung nicht auch noch gegenüber allen betont. Statt falscher Bescheidenheit steckt dahinter also eher eine Führungsqualität.

Akademiker in der Küche

Außerdem sucht Klink sich sein Personal so aus, dass sich möglichst alle in der Küche gut verstehen. Je älter und je besser gebildet der Kandidat ist, desto eher hat er oder sie eine Chance, einen Ausbildungsplatz bei Vincent Klink zu bekommen. In Klinks Küche stehen also studierte Philosophen und andere Akademiker.

Bildung und gute Manieren alleine reichen natürlich nicht aus, um bei Vincent Klink in der Küche zu arbeiten. Er schaut den Kandidaten beim Probearbeiten im buchstäblichen Sinn auf die Finger. Denn ohne Geschick kommt kein Koch weit. Wenn Klink dann noch das Gefühl hat, dass der- oder diejenige Leidenschaft mitbringt, dann kann es etwas werden.

Vincent Klink kehrt kurz in sein Büro zurück und tauscht seine bequemen Schuhe gegen ein schickeres Paar aus Leder. Jetzt ist es Zeit, die Gäste zu begrüßen. Für Vincent Klink ist es Routine, nur es darf eben nicht so aussehen. Im Speisesaal sitzen in der Regel Menschen, die nicht nur irgendein gutes Restaurant besuchen wollen. Sie schätzen die einfache Küche Klinks mit ihren hervorragenden Zutaten. Sie mögen es, dass Klink, wie er sagt, keinen „kulinarischen Götzendienst“ abhält, sondern den Gaumen kitzelt in einer lockeren und gastlichen Atmosphäre.

Der Chef begrüßt die Gäste

Klink macht seinen Rundgang entlang der Tische. Er begrüßt die beiden Damen, die sich mal einen besonderen Nachmittag ohne ihre Gatten gönnen. Oder die Familie, die den Geburtstag des Großvaters feiert. Zurück in der Küche lächelt er. „Einer der Gäste ist Multimillionär. Na, wer ist es?“, fragt er. Der Großvater, der mit seiner Familie mit Champagner auf seinen Geburtstag angestoßen hat, ist der heiße Tipp: teurer Anzug, teures Getränk.

Klink schüttelt den Kopf und schaut, als würde er gleich einen Witz erzählen. „Das war der normal gekleidete Typ ganz hinten“, sagt er. Ihm gefällt es so. Wahren Erfolg trägt niemand zur Schau wie einen Designeranzug. Man hat ihn einfach, oder eben nicht.