Bei seinem Antrittskonzert in der Zuffenhäuser Pauluskirche hat Alexander Kuhlo, neuer Dekanatskantor, an der Mühleisen-Orgel das Publikum überzeugt. Ebenso seine Frau Marit als Sopranistin.

Zuffenhausen - Das „Antrittskonzert“ eines neuen Kantors scheint immer noch mit besonderer Erwartung verbunden zu werden. In der Pauluskirche jedenfalls fand sich die stattliche Zahl von gut 150 Zuhörern ein, um Alexander Kuhlos Premiere an der Mühleisen-Orgel zu lauschen, was nebenbei auch die Wertschätzung sakraler Orgelmusik spiegelt. Antrittskonzert, das klingt ein wenig nach öffentlicher Prüfung, nach dem Begehr, die künstlerisch-musikalische Visitenkarte „des Neuen“ geboten zu bekommen. Mit den kathedralischen Repertoire-Schwergewichten von Bach bis Reger, Vierne und Widor beispielsweise, die Kuhlo ausweislich zu Gebote stehen.

 

Eine Erwartung, die der neue Cheforganist des Gotteshauses wohl unterlaufen, jedenfalls nicht direkt aufgreifen wollte. Stattdessen eine „Hommage á Wolfgang Amadé“, an Mozarts extrem randständiges Orgelwerk. Ein Unterfangen, das Kuhlo mit einem Vorwort präludierte, indem er Mozarts lebenslange Wertschätzung der Orgel skizzierte. Das Instrument, für das der Salzburger ein geflügeltes, selten präzise wiedergegebenes Wort geprägt hat: „...die orgl ist doch in meinem augen und ohren der könig aller instrumenten“. Umso verwirrender, dass Mozart, Domorganist an der Salzach, explizit für Orgel nur ein extrem schmales Oeuvre hinterließ – und das auch noch für Orgelautomaten: Auftragsarbeiten, mit denen er in Finanznot seinem „lieben Weibchen etwelche Dukaten in die Hände“ zu spielen gedachte.

Kuhlo überzeugt mit souveräner Virtuosität

Wie sehr er dabei aber Werke im Sinn gehabt haben muss, die nur an einem großen Instrument voll zur Geltung gebracht werden können, das machte Alexander Kuhlo schon mit der eröffnenden Fuge in g-Moll KV 401 deutlich, deren lichte Linienführung er mit leichthändiger Geläufigkeit ins Werk setzte. Vollgriffig dann die akkordische Wucht, mit der die Fantasie in f-Moll KV 608 einsetzt – und sich in der Folge als ein komplexes Werk zeigt, das Mozarts Auseinandersetzung mit Bach spiegelt. Kuhlo überzeugt mit höchst transparent gebotener Polyphonie, mit einem wunderbar kantablen Andante, mit souveräner Virtuosität auch in trillerbewehrten Passagen – und mit einem Überblick, der die Musik machtvoll in Fluss hält. So vermittelt sich auch der tiefe Ernst dieses Werkes aus Mozarts letztem Lebensjahr.

Leichte, schwebende Transzendenz beschert KV 594 in f-Moll, fast schelmisch daneben das Andante in F-Dur KV 616, dessen Rokoko-Arabesken Kuhlo lustvoll ausmalt. Und auch mit Guy Bovets „Mozart-Bolero“ sowie Zsolt Gárdonyis jazzig angehauchten „Mozart Changes“ pflegt er eher Unterhaltsames. Aber hatten nicht schon Mozarts Kirchensonaten einen zwischen sakralem Hochernst und weltlicher Lebensfreude changierenden Charakter gezeigt? Auch so kann man Erwartungen unterlaufen.

Dazwischen zeigt sich Kuhlo auch als fein mithörender, sensibel registrierender Begleiter, wenn Marit Kuhlo ariose Prachtstücke aus Mozarts Musica sacra vorträgt. Etwa das „Agnus Dei“ aus der Krönungsmesse, das mit einem sehr sauber und klar geführten Sopran tiefe Innigkeit verströmt. Dem hoch disziplinierten, durchaus tragenden Piano und Pianissimo der drei Stücke hätte aber ein wenig farbliche Varianz gut getan.

Als Schlussstück an der Orgel schließlich die Mozart-Variationen von Max Reger. Im Grunde ein Variationenwerk, das auch Regers „Hommage á Wolfgang Amadé“ zum Ausdruck bringt. Auch hier gefällt Kuhlo durch variables Spiel, sinnfällige Registrierung und durchdachte Darbietung als Ganzes. Wunderbar beiläufig wirken so die Fragmente des ohrwurmhaften Themas aus Mozarts Klaviersonate KV 331. Ganz Reger, wuchtig, voller harmonischer Reibungen und Farbreize der Schluss: pure Spätromantik. Von Alexander Kuhlo freilich nicht pathetisch, sondern kraftvoll, in lichter, strahlender Klarheit geboten: Merkmal dieses Antrittskonzertes insgesamt, das insofern doch eine Art Visitenkarte bot.